Open-Ear oder In-Ear – Was sind die Vorteile von Open-Ear Kopfhörern?

Ob Bose, Huawei, JBL oder Soundcore, immer mehr Hersteller bieten neben ihrem In-Ear-Portfolio auch Open-Ear Kopfhörer an. Shokz hat sich sogar auf das offene Konzept spezialisiert. Intuitiv greifen die meisten auf der Suche nach neuen, alltagstauglichen und möglichst kompakten Kopfhörern trotzdem zum In-Ear-Pendant. Aber was sind eigentlich die wichtigsten Unterschiede? Und wo verstecken sich vielleicht ungeahnte Vor- und Nachteile bei Open-Ear Kopfhörern? Wir haben zahlreiche Modelle getestet und verraten dir, was du wissen musst.
Passform: Das unterscheidet Open-Ear und In-Ear
In-Ear Kopfhörer landen – das dürfte niemanden überraschen – im Ohr. Manche Modelle, wie die Sennheiser Momentum True Wireless 4 setzen dabei auf Silikonaufsätze, damit die Kopfhörer noch tiefer in den Gehörgang ragen. Andere Modelle, wie die Apple AirPods 3, liegen ohne Silikonaufsatz im Ohr, weshalb hier manchmal auch von halboffenen In-Ears gesprochen wird.
Im Grunde sollen beide Bauweisen aber dafür sorgen, dass dein Ohr möglichst luftdicht verschlossen ist und die Treiber der Kopfhörer den Schall direkt Richtung Gehörgang schicken können. Open-Ear Kopfhörer verabschieden sich von dieser Idee und lassen deinen Gehörgang frei. Die Treiber müssen also irgendwo vor, hinter, oder am Ohr platziert werden.

Wie das funktioniert? Zum Beispiel mit Nacken- oder Ohrbügeln, die den Treibern genug Halt gewähren, um an oder vor deinem Ohr zu hängen. Beyerdynamics Verio 200 etwa hängen nur an deiner Ohrmuschel, Shokz‘ OpenRun sowohl an Ohr und Nacken und JBLs Soundgear Sense lassen dir die Wahl, ob du einen Nackenbügel verwenden möchtest, oder nicht. Wenn die Bügel zur Anatomie deines Ohres passen, bietet das richtig guten Halt bei einem freien Ohr. Wenn sich die Form deines Ohres nicht mit den Bügeln verträgt, kann es aber auch ganz schön locker werden.
Eine andere Lösung sind sogenannte Clip-Ons, die du wie ein kleines Fake-Piercing an den Rand deines Ohres steckst. Boses Ultra Open Earbuds und Huaweis FreeClip setzen hier auf elastisches Material, damit sie wirklich an (fast) jedes Ohr passen. Soundcores C30i sind da etwas starrer und arbeiten mit zusätzlichen Aufsätzen, um die Passform zu individualisieren. Sind sie dir zu eng, kannst du dagegen aber nichts unternehmen. Außerdem praktisch: Die Huawei FreeClip lassen sich nach Belieben vertauschen, es gibt also keinen linken und rechten Bud. Die einzelnen Hörer erkennen selbst, auf welcher Seite sie hängen. Diesem Vorbild dürften in der Zukunft auch andere Hersteller folgen.
Clip-Ons sind deutlich unauffälliger als Bügel-Kopfhörer, der sichere Halt hängt außerdem nicht so stark von deiner Ohrform ab. Allerdings gibt es zwischen Clip-On- und Bügel-Modellen auch Unterschiede im Sound, auf die wir im nächsten Kapitel eingehen wollen. Aber zuerst gibt’s einen Überblick über die Vor- und Nachteile von Open-Ears, was die Passform und den Tragekomfort angeht:
Passform und Tragekomfort: Die Vor- und Nachteile von Open-Ears
- Kein verstopfter Gehörgang
- Teils sehr flexible Konzepte (z.B. optionaler Nackenbügel oder symmetrische Bauweise)
- Halt etwas stärker von der Anatomie des Ohres abhängig
- Bügel-Kopfhörer etwas auffälliger
Sound: Warum klingen Open-Ears anders als In-Ears?
Open-Ear Kopfhörern eilt der Ruf voraus, klangtechnisch nicht an ihre In-Ear Gegenstücke heranzukommen. Das stimmt im Allgemeinen auch – bei In-Ears bekommst du für dieselbe Summe deutlich besseren Sound – hat aber auch einen triftigen Grund. Während In-Ear Kopfhörer die Treiber direkt im Gehörgang platzieren und quasi einen abgeschlossenen Resonanzraum isolieren, muss der Schall bei Open-Ears eine gewisse Distanz zurücklegen, bis er am Hörnerv angelangt.

Die Konsequenz: Tiefe Frequenzen gelangen oft weniger intensiv zum Ohr oder büßen an Genauigkeit ein. Besonders Clip-Ons hatten im Test bisher Probleme, wirklich eindrucksvolle Bassleistungen aufs Parkett zu bringen. Bügel-Kopfhörer wie die Verio 200 hingegen, die vor dem Ohr hängen, klingen angenehm warm und breit in den Tiefen. Auch hier spielt also die Passform eine wichtige Rolle.
Wenn du eher Podcasts und Hörbücher hörst, wirst du sicherlich auch mit Clip-Ons glücklich, höheren Ansprüchen werden dann eher die Verio 200 oder die Soundgear Sense gerecht. Oder du greifst doch zu In-Ears, die den Schall über die Luft deutlich effizienter bewegen können. Ist dir akkurater Sound also besonders wichtig, lohnen sich eher richtige In-Ear Kopfhörer:
Wo wir gleich beim nächsten Thema wären, der Art der Schallübertragung. Bisher haben wir nur über Luftschall gesprochen, also die Übertragung von Klang über die Bewegung von Luft. Open-Ears bieten hier aber noch eine Alternative, nämlich den Knochenschall. Diesen setzen zum Beispiel die Shokz OpenRun ein. Wie das funktioniert? Der Treiber liegt am Schädelknochen vor dem Ohr auf und lenkt den Schall über den Knochen zum Hörnerv.
Das funktioniert im Test erstaunlich gut und kommt zum Beispiel auch bei Hörgeräten zum Einsatz. Der Klang ist hier etwas dumpfer, bietet aber viel Potenzial für zukünftige Innovationen. Außerdem kannst du dir theoretisch die Ohren zuhalten und trotzdem noch Musik hören. Mit Ohrstöpseln ersetzt du also quasi das ANC, das bei Open-Ears natürlich fehlt – aber dazu im nächsten Abschnitt mehr. Hier findest du noch einmal die klanglichen Vor- und Nachteile von Open-Ears in der Übersicht:
Sound: Die Vor- und Nachteile von Open-Ear Kopfhörern
- Luft- und Knochenschall möglich
- Angenehm für Podcasts und Hörbücher
- Weite Klangbühne bei bestimmten Modellen
- Enge Klangbühne bei Clip-Ons
- Schwacher oder ungenauer Bass
- Dumpfer Sound bei Knochenschall
ANC und Transparenz: Klare Gewinner
Hier können wir es eigentlich kurz machen. Open-Ear Kopfhörer schirmen dich nicht von der Außenwelt ab. Wo In-Ear Kopfhörer selbst ohne ANC für eine passive Isolierung sorgen, nimmst du mit Open-Ear Kopfhörern die Umwelt beinahe ungefiltert wahr. Natürlich kann ein Kopfhörer, der knapp vor deinem Ohr hängt, etwas Schall abfangen, das merkst du in der Praxis aber kaum. Clip-Ons bieten hier wirklich kompromisslose Transparenz.

Apropos Transparenz – hier haben Open-Ears aus genau diesem Grund natürlich die Nase vorn, wenn es zum direkten Vergleich mit In-Ears kommt. Letztere müssen sich auf einen Transparenz-Modus verlassen, der häufig künstlich klingt und mit einem starken Grundrauschen einhergeht. Mit Open-Ears umgehst du dieses Problem, weil keine künstliche Verstärkung der Umgebungsgeräusche notwendig ist.
In puncto ANC und Transparenz ist die Entscheidung zwischen In-Ear Kopfhörern und Open-Ear Kopfhörern also wirklich eine reine Frage der Prioritäten. Willst du die Kopfhörer immer im Ohr behalten und im Büro oder an der Kasse ansprechbar bleiben, ist die natürliche Transparenz von Open-Ears definitiv etwas für dich. Wenn dich das Tastaturgeklapper deiner Kolleg:innen stört, lohnt der Griff zum In-Ear Kopfhörer mit Noise Cancelling. Wenn du die irritierten Blicke erträgst, kannst du natürlich auch Knochenschall-Kopfhörer mit Ohrstöpseln kombinieren.

Du willst dir noch einen letzten Überblick verschaffen? Dann gibt’s hier die Vor- und Nachteile von Open-Ear für Transparenz und Geräuschunterdrückung.
ANC und Transparenz: Die Vor- und Nachteile von Open-Ear
- Perfekte, natürliche Transparenz
- Mit Knochenschall sogar Ohrstöpsel möglich
- Keine aktive Geräuschunterdrückung
- Keine passive Geräuschunterdrückung
Fazit: Wann lohnen sich Open-Ear Kopfhörer?
Wir sagen es in den meisten Tests von Open-Ear Kopfhörern und wir sagen es auch hier: Aktuell sehen wir das Open-Ear-Konzept eher als Ergänzung zum traditionellen In-Ear-Kopfhörer. Weil das Klangbild weniger Details zulässt und essenzielle Funktionen wie ANC fehlen, würden wir – rein auf die Preis-Leistung bezogen – selten zum Open-Ear-Modell raten.
Als Zweitkopfhörer allerdings füllen Open-Ear Kopfhörer eine Nische aus, in der wir durchaus Potenzial sehen. Transparenz-Modi funktionieren eher schlecht als recht und auch der Tragekomfort von Open-Ears ist ein ganz anderer. Hier kannst du teilweise wirklich vergessen, dass du Kopfhörer in – oder besser am – Ohr hast. Wenn du dir der Nachteile vollends bewusst bist, spricht überhaupt nichts dagegen, das spannende Konzept mal auszuprobieren. Und: Die Technik schreitet voran.
Wenn die Nachfrage nach offenen Kopfhörern steigt, wird auch das Angebot neue Formen annehmen. Wir halten dich auf jeden Fall auf dem Laufenden und werden aktuelle Modelle so schnell wie möglich testen. Damit du den Überblick behältst, empfehlen wir dir einen Blick in unsere Bestenliste zum Thema Open-Ear Kopfhörer. Da findest du nicht nur den aktuellen Testsieger, sondern auch eine ausführlichere Erklärung der unterschiedlichen Modelle: