Unison Research Simply 845 im Test: Röhrensound ohne Kompromisse
- Leistung
- 2x 23W (6 Ohm)
- Eingänge
- 4x Line Cinch
- Audio-Ausgänge
- 1 Paar Lautsprecher, Sub Out, Rec Out
- Quellen kabellos
- –
- Abmessungen (BxHxT)
- 370 x 260 x 570 mm
- Gewicht
- 30,5 kg
- Preis
- 8.900 Euro
Der Simply 845 ist für die meisten Käufer nicht ihr erster Röhren-Amp – schon wegen des gehobenen Preises. Wenn du dich aber schon immer gefragt hast, warum Leute auf Leistung und Features zugunsten der Retro-Technik verzichten: hier ist die Antwort, in kompakter, unmissverständlicher Form.
- Für einen Röhren-Amp ungewöhnlich laststabil und stark
- Sagenhaft natürlicher, intensiver Klang mit subjektiv hoher Dynamik
- Sorgfältige Verarbeitung
- Platzierung des Eingangswahlschalters unpraktisch
- Sperrig und heiß
Röhrenverstärker bilden eine kleine, aber von Audiophilen geschätzte Nische in der ohnehin schon nischigen HiFi-Welt. Früher die einzige Art, ein Musiksignal zu verstärken, wurden sie heute von Transistor-Verstärkern so gut wie verdrängt und finden sich daher zum großen Teil in der teuren Highend-Ecke. Gründe, warum du alte Technik keinesfalls aufs Abstellgleis verbannen solltest, bietet uns der Unison Research Simply 845. Wie der schicke Amp mit den großen Röhren klingt, haben wir für dich getestet. Aber Vorsicht: Es wird heiß!
Unison Research – Handmade in Italy
Schon der großformatige, dickwandige Doppelkarton verheißt Außergewöhnliches. Wo Unison Research draufsteht, das wissen Audiophile, ist garantiert edles HiFi drin. Und genauso sicher arbeitet es mit Röhren: In nahezu allen Modellen – überwiegend HiFi-Verstärker, aber auch einige Player und Phono-Vorverstärker – spielen diese archaischen Bauteile eine zentrale Rolle. Das gibt es bei anderen Marken zwar auch. Aber nur ganz wenige inszenieren die Vakuum-Glaskolben mit ihrem geheimnisvollen Innenleben so ästhetisch wie die 1987 im italienischen Treviso gegründete Manufaktur. Handwerk spielt hier bis heute eine große Rolle. Manchmal ganz plakativ. Etwa bei den eigenwilligen, handgeschnitzten Applikationen aus heimischem Kirsch- und Walnussholz, die nahezu alle Verstärkermodelle verzieren.
Das wichtigste Handwerk an diesen Verstärkern kannst du aber nicht sehen, sondern nur hören. Es ist die Kunst, aus wenigen, hochwertigen Bauteilen mit viel Erfahrung und Feingefühl Musikmaschinen zu bauen, die „normales“ HiFi in den Schatten stellen soll. Handwerk ist zum Beispiel auch, dass die Italiener ihre eigenen Netz- und Ausgangstrafos wickeln. Das siehst du diesen kiloschweren Kunstwerken aus Kupfer, Eisen und Nickel spätestens dann nicht mehr an, wenn sie vibrationssicher vergossen in abschirmenden Blechmänteln stecken.
Da diese Teile aber klangentscheidend sind, werden sie dir indirekt im Hörraum oder Wohnzimmer begegnen, wenn du den Simply 845 an einem Paar passender Lautsprecher in Betrieb nimmst. Oder auch jeden anderen Unison. Denn die kleineren Modelle, die “schon” bei 2.300 Euro losgehen, sind genauso sorgfältig aufgebaut. Sie klingen auch fast genauso faszinierend, sind aber eben technisch „kleiner“, haben weniger Leistung und weniger Bandbreite. Was wiederum die Lautsprecherauswahl stärker einschränkt.
Unison Research Simply 845 im Hörtest: Temperament, Klarheit und Wärme
Bei Röhrenverstärkern, insbesondere Eintakt-Trioden wie dem Simply 845, spielt der Lautsprecher eine komplizierte Doppelrolle: Du hörst natürlich dessen Klangabstimmung, und wie sie mit deiner Raumakustik interagiert. Was du aber auch hörst, ist die Wechselwirkung zwischen Lautsprecher und Verstärker. Die variiert von Amp zu Amp und von Box zu Box viel stärker, als wir das von Transistor-Verstärkern gewohnt sind.
Als besonders einfache, neutrale Last haben wir daher neben unseren Audio Physic Midex auch die Breitbandlautsprecher Heco Direkt Einklang aufgebaut, die keine herkömmliche Frequenzweiche benötigen und sich daher fast wie ein reiner Widerstand verhalten. Wechselt man von diesen zu den schon etwas komplizierter anzutreibenden Midex, bekommt man ein Gefühl für die Lastempfindlichkeit des Verstärkers.
Der Simply 845 verhält sich in diesem Vergleich ausgesprochen gutmütig. Er klingt also auch an Standlautsprechern mit drei Wegen ausgewogen und lässt keine Frequenzbereiche übertrieben hervorspringen oder verkümmern. Das macht es besonders einfach, sich in die Qualitäten zu verlieben, die den Simply 845 auszeichnen: Stimmen wirken damit absolut himmlisch. Sie treten weit vor die Lautsprecherebene, erheben sich aber auch in der Vertikalen zu beachtlicher Größe.
Sänger:innen bekommen eine ungefilterte Direktheit und Nähe, die fast beunruhigend ist. Das Gleiche passiert mit akustischen Instrumenten – Gitarren, Klavier, etwa Keith Jarretts Konzertflügel: So impulsiv und klar, so rein im Ausklingen stellen den nur ganz wenige Verstärker dar. Die meisten davon sind Eintakt-Röhren wie der Unison Research Simply 845.
Single Ended mit Power: eine seltene Kombination
Die Klangfarben, die sich mit den Midex und dem Unison in unserem Hörraum ausbreiten, sind atemberaubend. Als hätte jemand hinter der Musik noch einen zusätzlichen Scheinwerfer angeknipst, strahlen die Töne individuell und vielfältig. Jede feine Modulation in der Stimme, jede kleine Positionsänderung der zupfenden Finger auf den Gitarrensaiten wird nicht nur wahrnehmbar, sondern bekommt Eventcharakter.
Es braucht nicht lange, und du gewöhnst dich an diese Deutlichkeit. Ein Wechsel zu herkömmlichen Transistor-Verstärkern wie unserem Rotel RA-1692 Mk2 verdeutlicht auf krasse Weise den Unterschied zwischen beiden Systemen. Zum Glück gewöhnt man sich auch daran wieder – da können wir dich beruhigen. Aber der direkte Kontrast ist immer wieder erstaunlich.
Eintakt-Trioden haben auch Schwächen – zumindest an realen Lautsprechern. Ihre Leistung ist begrenzt, vor allem aber ihr Dämpfungsfaktor. Schwere Bassmembranen im Zaum zu halten und zu akkuratem Start-Stop zu zwingen, ist nicht so ihr Ding. Selbst an mitteleffizienten Speakern wie unseren Tannoy Legacy Eaton kann der Tiefton dadurch etwas weicher und auch weniger massiv wirken als mit einem guten Transistor.
Davon ist auch der Unison Research Simply 845 betroffen, allerdings deutlich weniger ausgeprägt: 25 Watt pro Kanal sind in der Triodenwelt schon fast unverschämt viel. Und tatsächlich haben wir mit dem italienischen Amp nie das Gefühl, unsere Pegelgelüste bremsen zu müssen. Man kann ihn mit Gewalt und besonders bassreicher Musik zwar schon mühelos ins Clipping zwingen. Aber beim Genusshören, auch mit Rock und House, gibt es praktisch keine Einschränkungen.
Wenn du wissen willst, wie der Unison Research Simply 845 im Vergleich mit allen von uns getesteten HiFi-Verstärkern abschneidet, wirf doch einen Blick in unsere Bestenliste:
Unison Research Simply 845: Technischer Aufbau und Praxis
Der Unison ist ein Single-Ended- oder Eintakt-Triodenverstärker. Das ist die älteste Verstärker-Bauform überhaupt, basierend auf dem Urahnen aller verstärkenden Bauteile. Eine Triode besteht aus drei ineinander verschachtelten Elektroden, die sich in einem Vakuum befinden: Anode, Kathode und Gitter. Zwischen Anode und Kathode wird Hochspannung angelegt, die Kathode zudem mit einer Heizspannung zum Glühen gebracht.
Das lässt Elektronen aus der Kathode austreten und zur Anode fliegen. Das Gitter liegt zwischen Anode und Kathode und bremst oder beschleunigt den Elektronenstrom je nach angelegter Spannung. Was die Röhre praktisch als steuerbares Elektronen-„Ventil“ wirken lässt. In der englischen Bezeichnung „valve“ ist dieses Sprachbild noch erhalten.
In den 30er-, 40er Jahren gab es eine stürmische Entwicklung von immer neuen Röhrentypen und Schaltungsvarianten, um ein Maximum an Qualität und Quantität aus diesem Prinzip herauszuholen. Auch der Gegentakt- oder Push-Pull-Verstärker stammt aus dieser Ära und verdrängte die alte Eintakt-Arbeitsweise rasch. Sein Vorteil: ungleich höherer Wirkungsgrad, mehr Leistung bei geringerem Energieeinsatz. Die bei jedem Verstärker unvermeidlichen Nebenprodukte in Form von Klirr-Oberwellen sind dabei aber nicht ganz so harmonisch und naturnah wie beim Eintakt-Verstärker. Weshalb Single-Ended-Trioden seit ungefähr den 90er Jahren zumindest in High-End-Kreisen ein Comeback feiern.
Klotzen, nicht kleckern: Der Trend zur Riesenröhre
Single-Ended-Amps nutzen nur eine Endröhre pro Kanal, die folglich das gesamte Signal verarbeiten muss. Das ist extrem ineffizient und mindert die Leistungsausbeute: Eine EL34 etwa, die als Gegentakt-Paar locker für 45 Watt gut ist, erreicht single ended nicht mal ein Viertel davon. Wer mehr Power will, muss größere Röhren nehmen. Wobei mit der Größe auch die notwendigen Spannungen auf schwerer beherrschbare Werte steigen und die passenden Ausgangstrafos teuer, komplex und schwer werden.
Unison verwendet im 845 – wenig überraschend – ein Paar 845. Eine Triode im King-Size-Format, die in den 30er Jahren eigentlich für Mittelwellensender entwickelt wurde und dort im Dauerbetrieb Hunderte von Watt in die Antennen blies. Als Audioverstärker leistet sie knapp 25 Watt, was für Triodenverhältnisse schon sehr üppig ist.
100 Jahre alte Technik
Angesteuert werden die beiden 845 von jeweils zwei Doppeltrioden, also je Kanal vier weiteren aktiven Systemen aus Anode, Kathode und Gitter – nur viel kleiner, weil an dieser Stelle keine hohe Leistung gefragt ist. Und damit endet der Signalweg bereits, wenn man von ein paar passiven Bauteilen absieht: Widerstände, Kondensatoren, ein mechanischer Eingangswahlschalter und das motorisierte Lautstärkepoti.
Stromabwärts aus Sicht der Endröhre folgen die Ausgangsübertrager, die das verstärkte Signal aus der Hochspannungs-Röhrenwelt an die Spannungs- und Stromwünsche typischer HiFi-Lautsprecher anpassen. Eine Wahlmöglichkeit für unterschiedliche Impedanzwerte gibt es bei diesem Verstärker nicht. Unison hat den Verstärker auf 6-Ohm-Boxen optimiert. Mehr ist nie ein Problem, bei 4 Ohm kommt’s auf den Versuch an. Denn der angegebene Wert ist immer nur eine Näherung, die noch nichts über den frequenzabhängigen Verlauf besagt.
Der Aufbau ist für Fortgeschrittene
Nimm dir Zeit, einen wirklich passenden Lautsprecher für den Simply 845 zu finden. Was du mit der korrekten Wahl gewinnen – und mit der falschen verlieren – kannst, sind keine Nuancen, sondern entscheidet zwischen Traumanlage und Naja-HiFi. Je hochohmiger und wirkungsgradstärker eine Box, desto höher sind die Harmoniechancen. Bonuspunkte gibt’s für impedanzlinearisierte Schallwandler, etwa von DALI, die auch als nominelle 4-Ohm-Boxen sehr gut mit Eintaktern harmonieren können.
Bei der Suche nach optimalen Kombinationen ist ein:e erfahrener Händler:in Gold wert. Zusammen klappt der Aufbau des Simply 845 auch einfacher. Denn der überragend verarbeitete Unison Research ist schwer. Sehr schwer. Und unhandlich: mit über einem halben Meter Bautiefe überragt er die meisten Racks – selbst wenn sie seine 30 Kilo Gewicht tragen würden. Das ist also kein Amp, den man mal schnell und diskret im Sideboard verstecken kann – wovon wir bei der enormen Wärementwicklung auch dringend abraten.
Heiße Angelegenheit
Zumal optisch einiges geboten ist: Hinten auf dem Chassis verbirgt eine Art Trafohaus aus Stahlblech den Netzumspanner und die beiden Überträger. Davor aber erstreckt sich eine Art Bühne für die Röhren, die du nach dem Auspacken zunächst an ihre korrekten Dienststellen stecken musst. Keine Angst: Sie sind durchnumeriert.
Die Bühne hat einen doppelten Boden, der wie ein Schutzschild die Strahlungshitze der Röhren vom Gerät weg reflektieren soll. Auch hinter den Endröhren steht ein geschwungenes Schutzblech. 99 Prozent der Wärme stammt von den beiden 845ern, die im Betrieb zudem gleißend hell leuchten. Wie gesagt: Das ist kein Amp zum Verstecken, allerdings lässt sich die Wärme auch im Sommer noch aushalten.
In der Praxis sehr umgänglich – meistens
Das helle Leuchten ist bauartbedingt: 845er verwenden Kathodenwendel aus Wolfram mit einer dünnen Thoriumbeschichtung, die den Elektronen den Austritt erleichtert. Und dieses Thorium leuchtet dann eben auch sehr schön, wenn es wie hier auf vierstellige Temperaturen erhitzt wird. Deshalb macht man aus dem Material auch Glühstrümpfe für Gaslampen. Das Licht ist auch eine Warnung: Bloß nicht anfassen! Nicht nur wegen der Verbrennungsgefahr.
Die großen Röhren laufen mit vierstelligen Anodenspannungen, die man nur einmal im Leben anfasst. Die sind zwar normalerweise gut geschützt im Bauch des Verstärkers. Das stabile Schutzgitter für den gesamten vorderen Teil des Amps ist aber nicht zum Spaß vorgeschrieben. Fotograf:innen nehmen es natürlich lieber ab. Zuhause solltest du das aber wirklich nur tun, wenn du sicher sein kannst, dass niemand daran herumfingert oder hineintorkelt.
Ab und an musst du den Käfig – er ist nur gesteckt – auf jeden Fall kurz anheben. Unison hat nämlich den Eingangswahlschalter ausgerechnet aufs Oberdeck und folglich hinter das Gitter platziert. Und zwar nicht in einem Anflug italienischen Humors, sondern weil diese Position den kürzesten Signalweg ergibt. Zur Wahl stehen vier Hochpegeleingänge, was in aller Regel ausreichen dürfte. Auch zwei Ausgänge bietet er an: einen ungeregelten „Tape Out“ etwa für externe Kopfhörerverstärker, sowie einen geregelten Vorverstärkerausgang, wo du zum Beispiel auch einen aktiven Subwoofer anschließen könntest. Mehr gibt’s am Simply 845 nicht zu tun – außer aufdrehen und genießen.
Testfazit zum Unison Research Simply 845
2x 23 Watt für fast 9000 Euro: Was aus normaler HiFi-Sicht wie ein absurdes Missverhältnis erscheint, macht Röhrenkenner hellhörig. Mit den passenden Lautsprechern, die nicht zwingend teuer, aber sorgfältig ausgesucht sein sollten, macht dieser italienische Edel-Amp Musik zu einem intensiven Erlebnis. Dazu kommt die wundervolle Verarbeitung und der ganz besondere Charm der glühenden Röhren.
Technische Daten | |
Leistung | 2x 23W (6 Ohm) |
Eingänge | 4x Line Cinch |
Audio-Ausgänge | 1 Paar Lautsprecher, Sub Out, Rec Out |
Quellen kabellos | – |
Netzwerk | – |
Gehäuse-Ausführungen | Schwarz, Zierteile in Walnuss- oder Kirschholz |
Abmessungen (BxHxT) | 370 x 260 x 570 mm |
Gewicht | 30,5 kg |
Mitgeliefertes Zubehör | Fernbedienung, Schutzkäfig |
Preis | 8.900 Euro |
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