Eine neue Art des Hörens? Audioscenic bringt binauralen 3D-Sound auf Soundbars und Notebooks

Es war für uns das nicht einmal heimliche Highlight der diesjährigen CES 2025: Audioscenics Lösung für 3D-Sound aus ganz einfachen Stereo-Setups. Das Prinzip von Amphi ist im Prinzip ganz einfach: Binauraler Sound für Soundbars und Co. Wie das funktioniert und am Ende klingt, konnten wir in einem ersten Hands-on selbst erleben.
Das Prinzip von Amphi
Auf der CES 2025 hat uns Audioscenic in einer Suite verschiedenste Produkte gezeigt, die mittels Amphi dreidimensionalen Sound liefern sollten – und konnten. Dazu aber später mehr. So konnten wir ein paar Laptops bestaunen, ebenso wie Monitore mit eingebauten Lautsprechern und eine Soundbar von Razer – genauer die Razer Leviathan V2 Pro Soundbar.

Der Gedanke: Aus einfachen Stereo-Setups mit teils winzigen Lautsprechern soll 3D-Klang entstehen, der vor allem beim Gaming deutlich mehr Tiefe liefern soll. Deswegen bedient sich Audioscenic dem nicht wirklich neuen Ansatz des binauralen Sounds – und passt das Prinzip auf die eigenen Bedürfnisse an. Aber der Reihe nach.
So funktioniert binauraler Sound
Binaurales Audio macht sich unser komplexes Gehör zunutze. Und im Endeffekt sind binaurale Aufnahmen genau das, wie wir die Welt akustisch wahrnehmen. Der Begriff ist also etwas irreführend, denn binaural kann im Endeffekt mit „Hören mit beiden Ohren“ übersetzt werden.
Alles, was es dafür braucht, sind die richtigen Aufnahmen und ein Stereo-Kopfhörer, bei dem der linke und rechte Audiokanal voneinander unabhängig agieren können und die abgeschirmt sind. Das können etwa In-Ear-Kopfhörer sein, oder auch kabelgebundene HiFi-Kopfhörer.

Über Pegel- und Zeitunterschiede bei den Audiosignalen ist es dann möglich, Geräuschen eine Richtung zu geben. Denn so funktioniert vereinfacht gesagt unser Gehör. Hören wir ein Geräusch von rechts, ist der Schall minimal schneller am rechten, etwas verzögert erst am linken Ohr. Das Gehirn ermittelt daraus eine Richtung und sogar eine Entfernung. Und das funktioniert fast beliebig im Raum, schließlich können wir auch Geräusche über oder unter uns wahrnehmen.
Binaurale Aufnahmen können über Kopfhörer theoretisch 3D-Klanglandschaften noch präziser abbilden. Dafür werden sie normalerweise mit einem kopfförmigen Stereomikrofon aufgezeichnet. Jedes Mikrofon sitzt dabei jeweils in einem Ohr. So können nicht nur Unterschiede in der Laufzeit, dem Pegel und Phase genutzt werden, sondern auch die Kopfform selbst verändert den Klang. Ein Geräusch von hinten wird zum Beispiel leicht dumpf wirken, weil es erst an deinen Ohren vorbeimuss.

Und genau diese „Kopfbezogenen Übertragungsfunktionen“ – so der Fachterminus – machen sich binaurale Aufnahmen zunutze. Zusammen mit den Laufzeitunterschieden sorgen sie dafür, dass sich die Geräusche scheinbar wirklich um dich herum bewegen.
Binaurale Klänge aus einer Soundbar? So geht’s
Das „Problem“ dabei: Unser Gehör und unsere Ohren sind sehr komplex und lassen sich nur in sehr geschlossenen Systemen gut überlisten – eben mit Kopfhörern. Bei Soundbars oder Stereo-Lautsprechern kommen die Lautsprecher aber nicht direkt in Kontakt mit unserem Gehörgang, Dinge wie der Raum beeinflussen den bereits sorgsam manipulierten Schall stark.
Außerdem wissen Lautsprecher oder Soundbars nicht, wo deine Ohren sind und wie du deinen Kopf hältst. Die notwendigen Informationen zu liefern, um räumliche Klänge zu simulieren, ist dadurch fast unmöglich. Das ist auch der Grund, warum du dich für eine realistische Klangbühne immer im sogenannten Sweetspot deiner HiFi-Anlage oder deines Surrsound-Systems befinden musst.

Es sei denn, man nutzt ganz einfach eine Kamera. Und genau das macht Audioscenic. Eine Kamera zeichnet jede Bewegung deines Kopfes auf – und passt in Echtzeit den Klang daraufhin an die Position deiner Ohren an. In der oben bereits erwähnten Razer Leviathan V2 Pro Soundbar steckt etwa sogar eine Infrarot-Kamera. Die sorgt dafür, dass das Headtracking selbst im dunklen Raum zuverlässig funktionieren kann.
Du möchtest noch mehr Einblicke? In unserem Video findest sie:
Kleine Einschränkungen im Alltag
Allerdings: Einfach nur eine Kamera und ein paar Stereo-Lautsprecher reichen laut Aussagen von Audioscenic nicht aus. Denn in dem System müssen alle Komponenten genau aufeinander abgestimmt sein, damit der 3D-Klang wirken kann.
Was damit gemeint ist? Die Software muss schon sehr genau wissen, wie die Lautsprecher zueinander positioniert sind. Einfach ein paar Komponenten zusammenwürfeln ist also, Stand jetzt, nicht möglich.

Aber wer weiß, vielleicht kann das System in Zukunft erweitert werden, indem man die Position der Kamera fest bestimmt und beispielsweise ein paar Regallautsprecher per Software einmisst. Einfacher bleibt es aber natürlich weiterhin, wenn Lautsprecher und Kamera ihren festen Platz haben. Eben so, wie es in der vorgestellten Soundbar, den Monitoren mitsamt Kamera und Lautsprechern oder eben Notebooks der Fall ist.
Wie klingt die neue Lösung von Audioscenic?
Nach all der Theorie kommen wir jetzt aber endlich zur Praxis. Wie hört sich das alles an und wie überzeugend ist der räumliche Effekt?
Wenn es um den reinen Klang geht, dann hängt das natürlich stark von den verwendeten Lautsprechern ab. Klar, ein Laptop mit teils winzigen Treibern kann nur begrenzt gut detaillierte Tracks wiedergeben oder bei Bässen ordentlich zulangen.

Was bei der Range möglicherweise fehlt, macht der räumliche Eindruck aber locker wieder wett. Um es mal ganz direkt zu sagen: Der 3D-Klang hat uns umgehauen und mehr als überrascht. Und das wohl bemerkt schon bei den Laptop-Lösungen mit vergleichsweise einfachen Lautsprechern.
Gaming in mehreren Dimensionen
Deutlich besser, weil dynamischer und wuchtiger, war der Klang aber bei der Soundbar von Razer und einer Komplettlösung aus Monitor, Kamera und Bildschirm. Hier konnte sich der Klang sehr räumlich ausbreiten.
Eines der besten Beispiele, weil es hier auf Räumlichkeit und Details ankommt, war eine kleine Demo von Counter-Strike 2. Wenn eine Granate durchs Bild fliegt, wissen wir punktgenau, wo sie landet. Oder können Schüsse verorten und Schritte von anderen Spieler:innen nachverfolgen.

In einer anderen Demo hat sich Audioscenic eine Art Sandkasten selbst gebaut und lässt uns durch metallene Flure laufen, um immer wieder geschickt räumliche Klangquellen zu verbauen. Seien es Personen, die an meterdicke Türen klopfen oder eine Drohne, die um unseren Kopf ihre Bahnen zieht, während wir uns im eigenen Tempo und nach Belieben durch das Level bewegen.
Um es mal so zu sagen: Keine All-in-One-Soundbar, die wir bisher testen konnten, konnte in dem Maße Geräusche hinter uns transportieren oder so direkt Soundquellen über uns platzieren. Und selbst eine Samsung HW-Q995GD, immerhin unsere Testsiegerin aller Soundbar-Surround-Sets, kann sich nur durch deutlich größere Treiber und einen wuchtigeren Sound wirklich absetzen. Wenn es um die reine Räumlichkeit der 3D-Sounds geht, dann hat sie lediglich bei der Feinheit der Verortung von Geräuschen hinter uns die Nase vorn.
Weitere Anwendungsbeispiele für den Alltag
Amphi von Audioscenic kann aber nicht nur Gaming-Sounds deutlich erweitern oder verbessern. Natürlich ist das Szenario auch denkbar, um etwa einen Film klanglich mehr genießen zu können, ohne eine Vielzahl an Lautsprechern aufstellen zu müssen.
Ein weiteres Anwendungsfeld konnten wir im Bereich des Home-Office ausprobieren. Denn hier kann Amphi die Stimmen von mehreren Teilnehmenden von Meetings voneinander separieren und sie räumlich ein wenig auseinanderziehen. Das passt dann besser zu dem, was du auf dem Bildschirm siehst. Und hilft am Ende, sich besser auf einzelne Personen zu konzentrieren.

Der Anwendungsfall ist also nicht nur im Gaming gegeben, sondern kann beliebig auch auf Calls oder Filme ausgeweitet werden – wobei bei Filmen dann auch 3D-Soundinformationen vorliegen müssen. Allerdings spielt sich das alles vor allem am Schreibtisch ab und ist auf ein Paar Ohren begrenzt, was auch die vorgestellten Setups aufzeigen.
Was kann der neue Ansatz fürs Heimkino liefern?
Machen wir uns nichts vor: Nicht jede:r schaut Filme auf einem großen OLED-Fernseher mit einer Dolby-Atmos-Soundbar oder gar einem 5.1-Lautsprecher-Set mitsamt AV-Receiver. Die Realität ist oft eine ganz andere. Unterwegs auf dem Smartphone oder per Laptop auf der Couch oder im Bett.
Und genau hier könnte Audioscenic dafür sorgen, dass Filme zumindest klanglich deutlich überzeugender rüberkommen. Ganz ohne zusätzliche Lautsprecher baut sich dann eine beeindruckende Klangkulisse auf. Und wer weiß, vielleicht sorgt das am Ende dafür, dass der ein oder andere Filmfan letztlich doch in ein großes Heimkino-Setup investiert, um das Seherlebnis auf nächste Level zu hieven.
An der Stelle wird es dann spannend, ob Audioscenic noch eine Lösung liefern kann, hier ebenfalls greifen kann. Denn Headtracking von mehreren Personen, die Distanz oder die deutlich werdenden Eigenschaften des Raumes könnten da schnell einen Strich durch die Rechnung machen. Vielleicht kann man aber auch die gewonnene Expertise nutzen, um Upmixer oder Konkurrenzformate zu Dolby Atmos oder DTS:X zu schaffen.
Bis es so weit ist, musst du dann doch eher zu klassischen Soundbars greifen. Die besten Dolby-Atmos-Modelle mit 3D-Sound findest du in unserer Bestenliste:
- Dolby-Atmos-Soundbars im Test: Die 38 besten Soundbars mit 3D-Klang
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