Startseite Wireless Audio UWB: Löst die neue Funktechnik Bluetooth ab?

UWB: Löst die neue Funktechnik Bluetooth ab?

Immer mehr Smartphones funken neben den bekannten Standards auch im "Ultra Wideband" – kurz, UWB. Wird diese Funktechnik der neue Standard für die Audio-Übertragung und ist damit endlich kabelloses Highres möglich?
UWB Bluetooth Titelbild Bild: Samsung

Unterwegs ohne lästige Kabel Musik zu hören, ist sehr bequem. Wer sich aber mit HiFi beschäftigt, der weiß: wirklich hochwertig hörst du mit Musik über einen verkabelten Kopfhörer. Das liegt daran, dass Bluetooth aktuell einfach nicht die nötige Bandbreite liefert, um hochauflösende Musik ohne Verluste zu übertragen – trotz der hochtrabenden Versprechen von Codecs wie aptX, LDAC und Co. Selbst die Lossless-Übertragung von normaler CD-Qualität gelingt über Bluetooth nur in Ausnahmesituationen. Könnte die neue Funktechnik UWB (Ultra-Wideband), die bereits in zahlreichen Smartphones Einzug gehalten hat, Abhilfe schaffen?

Was ist UWB?

Bei UWB handelt es sich ähnlich wie bei Bluetooth um eine Technik zur Nahbereichsfunkkommunikation. Bluetooth nutz dabei das relativ schmale 2,4-GHz-Band zum Senden. UWB verteilt eine Sendeleistung von wenigen Milliwatt auf ein sehr breites Frequenzspektrum, das von 3,1 bis 10,6 GHz reicht. Es ist dadurch sehr energieeffizient und unanfällig gegen Störungen von Bluetooth oder WiFi-Netzen. 

Wofür wird UWB genutzt?

UWB wird aktuell bereits für Datenübertragungen, zur Ortung oder zur Zugangskontrolle verwendet werden. Bei Ortungsanwendungen erweist sich UWB als besonders präzise im Vergleich zu Bluetooth oder GPS. Es erlaubt sogar eine zentimetergenaue Positionierung in Echtzeit. Falls du Ortungssysteme wie Apples Find My bzw. Wo ist … nutzt, hast du UWB schon live erlebt – denn genau diese Technik macht es möglich, den in der Sofaritze verschwundenen Schlüsselbund mit AirTag so präzise aufzuspüren. 

UWB Apple AirTag
Apples AirTags nutzen Ultra-Breitbandtechnologie, um dir punktgenau den Weg zu verlorenen Gegenständen zu weisen. | Bild: Apple

UWB (Ultra-Wideband oder auf Deutsch: Ultra-Breitband) hat neben dem niedrigen Stromverbrauch und einer niedrigen Latenzzeit den Vorteil, dass es über geringe Entfernungen eine hohe Datenübertragungsrate ermöglicht, die sich theoretisch auch zur Audioübertragung eignet. Noch gibt es keine Geräte, die UWB für Audio nutzen, doch das könnte sich bald ändern.

Aber dazu später mehr; erstmal wollen wir uns einen Überblick über die aktuelle Verbreitung von UWB verschaffen. 

Der Stand der Dinge: Welche Geräte unterstützen UWB

Wer ein modernes Handy einer der drei großen Marken – Apple, Samsung und Google – hat, der kann UWB vielleicht schon nutzen. Die drei Hersteller haben alle entsprechende UWB-Chips in einige ihrer neusten Produkte verbaut. UWB wird außerdem von den neueren Android-Versionen unterstützt, was der weiteren Verbreitung den Weg bahnt. Im Folgenden geben wir dir einen Überblick, welche Geräte aktuell UWB unterstützen und wofür sie es nutzen.

UWB und Apple

UWB ist Teil des U1-Chips von Apple, der in den iPhone-Modellen 11, 12, 13 und 14, der Apple Watch Series 6, 7 und 8, dem HomePod und HomePod mini sowie Apple AirTags verbaut ist. Voraussetzung für die Nutzung vieler Funktionen ist eine aktuelle iOS-Version.

Apple-Anwendungen, die UWB nutzen:

  • AirDrop (iPhone)
  • Digitaler Autoschlüssel (iPhone und Apple Watch)
  • Musikweitergabe (HomePod und HomePod mini)
  • “Wo ist?”-Netzwerk (AirTags, AirPods)

Besonders spannend ist für uns natürlich der Einsatz im HomePod mini. UWB wird hier nicht als direkter Ersatz für Bluetooth verwendet, transportiert also nicht deine Musik. Stattdessen kommt UWB zum Einsatz, um die Musikwiedergabe schnell vom iPhone auf einen HomePod zu wechseln – Handoff nennt Apple das. Dafür musst du nur dein Handy in die Nähe eines der Apple-Lautsprecher halten.

UWB Apple HomePod mini Handoff
Du kannst deine Playlist ganz einfach auf dem Handy starten. Hältst du das iPhone dann an den HomePod mini, wir die Musik dort automatisch fortgesetzt. | Bild: Apple

Auch das Apple “Wo ist?”-Netzwerk (auf Englisch: Find My) setzt auf UWB. Du kannst damit deine AirPods Pro oder AirTags orten.

UWB mit Android-Smartphones

Apple hat vorgelegt, aber auch mehrere Hersteller von Android-Geräten treiben UWB voran. So können Googles Pixel 6 Pro und Pixel 7 Pro UWB nutzen. Es kommt hier primär als digitaler Autoschlüssel zum Einsatz. Zuletzt gab es aber auch Gerüchte, dass Google an einem Gegenstück zu Apples AirTags arbeiten könnte.

Neben Google selbst ist Samsung der größte Hersteller von Android-Smartphones, der UWB anbietet. Den entsprechenden Chip findest du im Samsung Galaxy Note 20, Galaxy S21, S22 und S23 sowie den Galaxy Z Fold 2, 3 und 4. Diese Handys kannst du ebenfalls als digitalen Autoschlüssel nutzen. Samsung hat eigene SmartTags, die du mit UWB orten kannst.

UWB Samsung SmartTags
Bei Samsung kommt sogar Augmented Reality zum Einsatz, um dir den Weg zu den mit UWB ausgestatteten SmartTags zu weisen. | Bild: Samsung

UWB und Audio

UWB kommt also vorrangig zur Ortung von AirTags und AirPods oder als Autoschlüssel zum Einsatz. Aber welches Potenzial birgt die Technologie im Bereich Musik? Glaubt man Jez Ford, Redakteur des australischen HiFi-Magazins Sound+Image, könnte UWB schaffen, was Bluetooth schon lange verspricht, aber nicht hält: kabelloses Highres-Audio.

Mit der breiten Verfügbarkeit von Highres-Material auf Streamingdiensten – etwa Tidal oder Apple Music – bieten auch immer mehr Hersteller Bluetooth-Kopfhörer an, die damit werben, dieses Material abspielen zu können. Vielleicht hast du das goldene Label “Hi-Res Audio Wireless” der Japan Audio Society schon einmal gesehen. Damit schmückt sich zum Beispiel der Sony WH-1000XM5. Verdient hat er es sich dadurch, dass er den Bluetooth-Codec von Sony, LDAC, unterstützt – das Label wurde dem Codec, nicht dem Kopfhörer vergeben.

LDAC kann tatsächlich Highres-Songs streamen, allerdings mit einem Haken: Da Bluetooth nicht die nötige Bandbreite bietet, komprimiert LDAC das Signal. Sprich, bei dir kommt nur verlustbehaftetes Highres an. Das ist natürlich nicht im Sinn der Sache, denn Highres-Audiodateien sollen ja Musikaufnahmen besonders informationsreich wiedergeben.

UWB Hi-Res Audio Wireless
Der Sony WH-1000XM5 wird mit dem Label “Hi-Res Audio Wireless” beworben. | Bild: Sony

Fakt ist: Bluetooth bietet aktuell nicht die nötigen Bandbreiten, um verlustfreies Highres-Audio zu übertragen. Das Label “Hi-Res Audio Wireless” kommt damit Etikettenschwindel nahe. So wie es aktuell eingesetzt wird, ist das Label also irreführend: Kein Bluetooth-Kopfhörer kann verlustfreies Highres kabellos abspielen. Selbst für eine verlustfreie “Lossless”-Übertragung reicht die Bandbreite von Bluetooth nur unter allerbesten Sendebedingungen.

SCL6: Deutlich höhere Datenraten über UWB?

Damit finden wir den Bogen zurück zu UWB. Jez Ford spekuliert in einem Beitrag für What-HiFi, dass das “Wireless Hi-Res Audio”-29Label gar nicht auf Bluetooth-Streams abzielt. Als Beweis dafür sieht er zwei der vier Bluetooth-Codecs heran, die das Label bisher erhalten haben: LC3plus und SCL6.

SCL6 hat auch uns einiges an Kopfzerbrechen bereitet, als es unter dem Namen MQair angekündigt wurde: MQair sollte die Bitrate variabel zwischen 200 kbit/s und enormen 20 Mbit/s skalieren können. Zum Vergleich: aptX Lossless bewegt sich im Bereich von 140 kbit/s bis 1 Mbit/s, deutlich darunter. Wie wir damals schon schrieben, verspricht MQair aber überhaupt nicht, diese Bandbreite wirklich über Bluetooth zu erzielen. Denn schließlich ist MQair auch für Übertragungen per Ultra-Wideband und WiFi vorgesehen.

UWB SCL6
Zuerst MQA, jetzt SCL6: Trotz des neuen Namens handelt es sich immer noch um denselben Codec von MQA Ltd. | Bild: MQA

Wie viel höher die Bandbreiten mit UWB in der Praxis wirklich ausfallen, muss sich noch zeigen. Zumindest in der Theorie könnte SCL6 über UWB aber genug Platz für verlustfreie Highres-Streams haben. Ähnlich verhält es sich mit dem von der Japan Audio Society Hi-Res-zertifizierten LC3plus-Codec. Dieser wurde überhaupt nicht für Bluetooth, sondern für DECT (Digital Enhanced Cordless Telecommunications) entwickelt.

Das ist der Hintergrund, vor dem Ford vermutet, dass das Hires Audio WirelessLabel eigentlich gar nicht auf Bluetooth, sondern auf UWB abzielt. Er spekuliert, dass die Japan Audio Society das Label an Codecs verleiht, die prinzipiell Streams mit 40 kHz erreichen können, falls sie die entsprechende Bandbreite zur Verfügung haben – und das müsse nicht unbedingt Bluetooth bedeuten

Neue Technologie macht UWB für Kopfhörer möglich

Warum haben wir also noch keine Kopfhörer mit UWB gesehen? Bisher gibt es noch einige Hürden. Etwa, dass UWB in einigen Regionen überhaupt nicht verfügbar ist. Apple führt hier eine Liste. Ein anderes Problem könnte indes bald behoben werden: das des body blockings. Viele Gegenstände, aber auch der menschliche Körper, können Signale aufhalten. Das gilt für diverse Frequenzbänder, inklusive SubGigahertz, 2,4 GHz (Bluetooth), 5 GHz (WiFi) oder eben 6,5 GHz (UWB). AntennaWare will eine neue UWB-Antenne entwickelt haben, die das Problem löst – und den Einsatz von UWB an körpernahen Kopfhörern endlich möglich machen könnte.

UWB AntennaWare body blocking Grafik
Die neue “BodyWave”-Antenne von AntennaWare soll das Problem des body blockings lösen. | Bild: AntennaWare

Erster Kopfhörer mit Musik via UWB noch 2024?

SCL6 wurde von MQA Ltd. entwickelt. Vielleicht macht dich der Name direkt hellhörig: Die Firma, zu der auch das bei Tidal eingesetzte MQA-Format gehört, hat zuletzt Insolvenz angemeldet.

Wie es mit SCL6 weitergeht, ist also offen. Es gibt immerhin Hinweise darauf, dass die Technologie verkauft werden und weiterleben könnte. Und noch scheint der erste Kopfhörer, der den Codec implementieren soll, weiterhin für die Markteinführung geplant zu sein. Das Modell wird von PSB Speakers entwickelt und soll SCL6 sowie die “BodyWave”-Antenne nutzen, um via UWB Musik zu streamen. Wie gut das dann funktioniert, liest du hoffentlich bei uns im Test. Auch wenn heiß diskutiert wird, ob die klanglichen Vorteile von Highres für das menschlichen Ohr wirklich hörbar sind – Datenübertragung mit möglichst wenig Verlusten ist immer ein gutes Ziel.

Bis UWB wirklich für Kopfhörer nutzbar ist, wird noch etwas Zeit vergehen. Bis dahin bist du aber mit einem Bluetooth-Kopfhörer aus unserer Bestenliste bestens bedient:

zur Startseite Beitrag kommentieren
Für Links auf dieser Seite erhält HIFI.DE ggf. eine Provision vom Händler, z.B. für mit * oder gekennzeichnete. Mehr Infos.