Focal Kanta N°1 im Test: Klang-Konzentrat für 6.000 Euro

Focal zählt zu den bekanntesten HiFi-Firmen Frankreichs und hat mit Highend-Lautsprechern – und in neuerer Zeit auch mit Luxus-Kopfhörern – internationalen Ruhm erlangt. Sieben Lautsprecher-Serien hat Focal im Angebot. Die Kanta-Serie ist nach der Sopra und Utopia die dritt-teuerste Reihe. Ihre Regalbox Kanta N°1 kostet bereits knapp 6.000 Euro – ohne Ständer. Wie kommt diese Summe für so eine kompakte Box zustande? Was die Focal Kanta N°1 so besonders macht und was das für den Klanf bedceutet, haben wir für euch getestet.

Focal Kanta N°1 im Klangtest: Feiner, weiter, tiefer

Immersiv ist eines dieser Worte, die gerade im Heimkino-Marketing inflationär benutzt werden. Es soll dir versprechen, dass du in deine Musik oder deinen Lieblingsfilm eintauchen kannst, weil der Sound sich nicht nur zweidimensional vor dir, sondern rings um dich herum ausbreitet. Oft ist der Ausdruck jedoch zum bloßen Schlagwort verkommen, das selten hält, was es verspricht.

Doch in dies Musik eintauchen geht auch ohne “immersiv” und zig Lautsprecher. Ein Paar Focal Kanta N°1 reicht, und um dich herum ist nichts mehr außer Klang. Nichts wichtiges, zumindest. Plötzlich steht Aurora mit ihrer Klangcollage Everything Matters direkt bei uns im Hörraum. Die Sounds und Echoeffekte des Songs wabern um uns herum. Auch andere Regallautsprecher können sehr überzeugend eine tolle Bühne vor dir aufbauen, zum Beispiel die KEF LS50 Meta. Die Focal Kanta N°1 geht jedoch den entscheidenden Schritt weiter. Aus realistisch wird real, aus Räumlichkeit wird Raum.

Deiner Lieblingsband ganz nah

Viel von diesem außergewöhnlichen Klangerlebnis geht auf das Konto des Hochtöners. Er begeistert mit einer Auflösung, die man so bei Regalboxen selten erlebt. Dabei schlagen helle Töne jedoch nie ins Scharfe um, sondern behalten eine seidige Anmutung. Die Kanta N°1 versucht sich hier nicht zu beweisen. Sie arbeitet einfach nur heraus, was sowieso schon in deiner Musik steckt.

Das gelingt ihr sogar bei so vielschichtigen und nicht unbedingt einfach auszuhaltenden Stücken wie The Pride of Petravore. Lankum verwandelt den irischen Folk-Song in eine wahre Kakofonie. Eine Disharmonie nach der anderen wird auf die Melodie gestapelt. Da wird der Verstärker gerne etwas leiser gedreht, wenn nicht gleich das Lied übersprungen. Die Focal Kanta N°1 hingegen lässt dich das Chaos nicht nur aushalten, sondern auch erkunden – und genießen. Du scheinst mitten im Song zu sitzen, während die Töne wie Lokomotiven an dir vorbeibrausen.

Die Grenzen liegen im Bass

Auch die “färöische Björk” Eivør Pálsdóttir bereitet dir über die Kanta N°1 eine Gänsehaut nach der anderen, wenn sie Mín Móðir live performt. Die Bühne scheint aufzuatmen und sich weit auszubreiten. Die an pagane Rituale erinnernden Trommelschläge scheinen losgelöst von den Boxen im Raum zu stehen. Die gesamte Live-Aufnahme erhält durch die Kanta N°1 tatsächlich etwas Lebendiges. Hier fällt aber auch einer der wenigen Kritikpunkte des Regallautsprechers auf. Auch wenn die Trommel gestochen scharf vor dir steht, fehlt ihr doch der letzte Punch, den Lautsprecher wie die KEF R3 Meta bei diesem Track erzeugen können.

Das bedeutet nicht, dass die Focal Kanta N°1 schwach im Bass ist. Ganz im Gegenteil: 46 Hz werden als untere Frequenzgrenze angegeben, gefühlt geht der Lautsprecher noch viel tiefer herunter. In den höheren Bässen, bzw. den tieferen Mitten lässt die Präzision und Kontrolle jedoch nach. Death & His Daughter von John Blek oder als Gegenprogramm Monomyth der Animals as Leaders stellen enorme Ansprüche an Tieftöner. Bei beiden Songs verliert die kleine Kanta jedoch ein wenig die Übersicht, kann die vertrackten Bassmelodien nur etwas unsauber nachzeichnen.

Daran, dass die Klangqualität der Focal Kanta N°1 dennoch eine der besten ist, die wir in dieser Lautsprechergröße bisher haben testen dürfen, ändert das jedoch nichts. Und es muss ja schließlich auch noch eine Steigerung zur Standbox Kanta N°2 geben. Denn eines sei trotzdem deutlich gesagt: Die Kanta N°1 kann auch richtig Gas geben und schleudert dir jedes Rockkonzert entgegen, ohne etwas von ihrem Feingefühl einzubüßen.

Bist du Fan von großen und direkter Basswiedergabe, bist du mit einer Bowers & Wilkins 606 S2 AE oder einem externen Subwoofer vielleicht besser beraten. In allen anderen Fällen können wir nicht anders, als unseren Hut vor dieser Performance zu ziehen. Neugierig geworden? In unserer Bestenliste findest du alle von uns getesteten Regallautsprecher:

Aufbau der Focal Kanta N°1: Beryllium und Flachs

Focal hat beim Bau der Kanta N°1 tief in die Trickkiste gegriffen und den Regallautsprecher mit vielen Technologien ausgestattet, die ihren Ursprung in weit teureren Serien finden. So ist die Schallwand aus hochdichtem Polymer leicht eingewölbt. Das Material soll Vibrationen und Energie um einiges besser aufnehmen können als es beispielsweise MDF-Platten können. Die Wölbung soll dafür sorgen, dass der die Schallwellen von Hoch- und Tiefmitteltöner möglichst gleichzeitig an deinem Ohr ankommen.

Im Tiefmitteltöner arbeiten gleich mehrere Technologien zusammen, um eine möglichst saubere und kontrollierte Basswiedergabe zu ermöglichen. Die Membran besteht unter anderem aus Flachs. Dieser leichte Werkstoff verspricht hohe Steifigkeit und geringes Gewicht. An Ort und Stelle hält ihn eine Sicke bei der Focals patentiertes Tuned Mass Damping zum Einsatz kommt. Dabei sorgen Gummiringe auf der Sicke als Gegengewicht, das die Auslenkungen der Membran dämpfen soll. Als Letztes sorgt ein faradayscher Ring dafür, dass das Magnetfeld im Inneren des Treibers unabhängig von seiner Bewegung oder der Frequenz stabil bleibt.

Giftiger Hochtöner für brilliante Auflösung

Focal ist besonders stolz auf die eigens entwickelten Hochtöner. Wo Bowers & Wilkins bei der 802 D4 auf eine Kalotte aus Diamant setzt, kommt bei Focal Beryllium zum Einsatz. Dieses Metall soll um ein Vielfaches steifer sein als Aluminium oder Titan, ist gleichzeitig aber auch extrem leicht – und giftig. Ein Gitter schützt den Hochtöner daher vor neugierigen Fingern oder unachtsamen Ellbogen. Für den Fall, dass der Hochtöner dennoch beschädigt wird, schickt Focal Sticker mit. Diese sollst du dann über den Hochtöner kleben, damit du das nun brüchige Metall nicht einatmest.

Dass dir der Hochtöner gefährlich werden kann, ist jedoch nicht das einzig spannende an ihm. Wenn eine herkömmliche Kalotte nach innen gewölbt ist, ist das in den meisten Fällen ein schlechtes Zeichen. Hier gehört die invertierte Kalotte zum guten Ton, sie soll helfen, einen breiteren Sweetspot zu ermöglichen. Kammern hinter dem Hochtöner nehmen die rückwärtig abgestrahlte Schallenergie auf und neutralisieren sie. Ein wichtiger Schritt, um den Hochtöner ungehindert arbeiten zu lassen. Übrigens setzt Focal diese Art Hochtöner nicht nur in Luxus-Speakern ein. Auch die Focal Aria 926 verfügt über eine invertierte Kalotte. Hier allerdings aus einem Alu-Magnesium-Mix.

Praxis: Fester Stand hat seinen Preis

Mit 88 dB Wirkungsgrad gehört die Focal Kanta N°1 zwar nicht zu den lautesten Lautsprechern, die wir bisher in unserem Hörstudio testen konnten, sie ist jedoch laut genug, um auch an schwächeren Verstärkern eine gute Figur zu machen. So richtig wacht sie jedoch erst an kräftigen Amps wie unserem Rotel RA-1592 MK2 auf. Hier stellt sie also schon gewisse Ansprüche, kleinere Verstärker wie der Cambridge Evo 150 kämen hier wohl schnell an ihre Grenzen. Es lohnt sich also, in eine gebührende Verstärkung zu investieren. Die hochwertigen – und extrem großen – Polklemmen auf der Rückseite unterstützen diesen Eindruck.

Apropos Investition: Auch die Ständer, die Focal für die Kanta N°1 im Angebot hat, lohnen sich optisch und klanglich. Sie sind mit ca. 1.000 Euro für das Paar aber auch definitiv kein Schnäppchen. Im Regal oder eingeengt in einer Zimmerecke können die Kanta ihr Potenzial übrigens nicht vollends ausschöpfen. Ein Grund dafür ist das große Bassreflexrohr auf der Rückseite, das dafür sorgt, dass die Kanta N°1 so weit in den Basskeller spielt.

Fester Stand auf jedem Boden

Am Ständer wird die Focal Kanta N°1 mit drei Schrauben fixiert. Die Ständer selbst können entweder auf gummierten Füßen, oder auf verstellbaren Spikes ruhen. Das sorgt für eine ideale Koppelung mit dem Boden. Spiketeller schützen deinen Boden auf Wunsch. Alternativ findest du im Lieferumfang auch selbstklebende Gummidämpfer, die im Vergleich mit dem ansonsten getriebenen Aufwand jedoch etwas fehl am Platz wirken.

Makellose Verarbeitung bei Focal

Focal geht beim Design gerne eigene Wege, wie die an ein menschliches Rückgrat erinnernde Utopia unter Beweis stellt. Im Gegensatz dazu sieht die Focal Kanta N°1 fast dezent aus. Allerdings steht in unserem Hörraum auch die Version mit schwarzer Front und Holzkorpus. In der Vergangenheit bot Focal aber auch mit einer kanariengelbe Version an. Heute beschränkt sich Focal auf fünf Varianten. Wenn du es besonders glänzend magst, kannst du dich zwischen einer komplett schwarzen, komplett weißen oder der Walnussvariante mit schwarzer Front aus diesem Test entscheiden. Matt stehen eine Front in Grau und in Elfenbein zur Verfügung, beide mit Walnuss-Korpus.

Egal welche Farbe, die Schallwand zieht unweigerlich deinen Blick auf sich. Ihre geschwungene Form scheint sich zu allen Seiten um den Lautsprecher zu stülpen. Der Holzkorpus dahinter besteht übrigens keinesfalls aus MDF-Platten mit aufgeklebtem Holzfurnier. Ähnlich wie bei der 800er-Serie von Bowers & Wilkins wird ein Stück Schichtholz in Form gebogen. Was also wie Holz aussieht, ist bei der Focal Kanta N°1 also auch wirklich Holz.

Die Oberseite der Kanta N°1 schützt eine Glasplatte. Das schont den Lack vor aggressiven Staubwischen und peppt den Look des Lautsprechers noch weiter auf. So bleibt dein Auge unweigerlich immer wieder an den Lautsprechern hängen: Vom Firmenlogo, dem vergitterten Hochtöner bis hin zur schönen Holzmaserung gibt es an der Kanta N°1 überall etwas zu bestaunen.

Test-Fazit Focal Kanta N°1: Kompaktes Highend-Vergnügen

Ein Gesamtpaket, das seinesgleichen sucht, hat in Form der Focal Kanta N°1 unseren Hörraum bereichert. Die Auflösung und Abbildung der Kompaktbox sind atemberaubend und stellen viele Standlautsprecher in den Schatten. Dass der Bass in gewissen Lagen etwas mehr Druck vertragen könnte, stimmt zwar, das nimmt dir aber nie die Freude an deiner Musik. Stattdessen entdeckst du immer wieder Neues in bereits hundert Mal gehörten Tracks.

6.000 Euro für ein Paar Regallautsprecher ist eine enorme Summe. 7.000 Euro inlusive Ständern erst recht. Bist du jedoch bereit und in der Lage, so viel Geld zu investieren, bekommst du als Gegenleistung einen Luxusartikel, der optisch jedes Wohnzimmer aufwertet und mit seinem feinen Klang deine Musik zum Leben erweckt, wie das nur wenige andere Lautsprecher vermögen.

In unserer Bestenliste findest du weitere interessante Regallautsprecher:

Hat dich die Focal Kanta N°1 neugierig gemacht? Was hältst du vom Beryllium-Hochtöner? Teil es uns in den Kommentaren mit!