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Community-Test: quadral AURUM GAMMA von Simon Hämmerle

Unser Community-Mitglied Simon Hämmerle hat die AURUM GAMMA-Lautsprecher von quadral zu Hause getestet. Lies hier, welche Erfahrungen er gemacht hat!
Community-Test: quadral AURUM GAMMA von Simon Hämmerle

HIFI.DE hat gerufen – und die Community hat geantwortet! Nach unserem großen Aufruf haben sich zahlreiche HiFi-Enthusiasten als potenzielle Community-Tester für High End-Lautspreher von quadral gemeldet. Einer der Auserwählten: Simon Hämmerle, dessen Test zur AURUM GAMMA hier folgt.

Zu meinem Hintergrund

Bevor ich mit meinen Eindrücken zur quadral AURUM GAMMA beginne, denke ich, es ist hilfreich, mich und meine üblichen Hörgewohnheiten etwas besser kennenzulernen. Ich bin 28 Jahre alt, studierter Wirtschaftsinformatiker und HiFi-Liebhaber seit den mittleren Teenager-Jahren. Das verrät euch, dass ich mich zwar lange mit der Materie auseinandersetze (und das auch sehr begeistert), aber nicht direkt vom Fach bin. Meine Begeisterung wurde damals durch verschiedene Erfahrungen geweckt – ich bemerkte, dass der 50-Euro-Bügelkopfhörer meines Kumpels sehr viel besser klang, als die Beipack-In-Ears meines Handys (die einzige Art von Kopfhörer, die ich bis dato kannte), und dass aus einer Schallplatte in Kombination mit einem Plattenspieler und zwei Standboxen ganz andere Musik kommt, als aus der Mini-Komplettanlage für 200 Euro.

Audiovisuell wurde die Leidenschaft dann mit Sonys 40Z4500 vor etwa zehn Jahren. Fast zeitgleich wurde ich Mitglied im HiFi-Forum und bin diesem bis heute treu. Die Dinge verselbständigten sich und mündeten in vielen tausend Euro, die über die Jahre durch den Kauf und Verkauf verschiedenster Lautsprecher, Verstärker, Player, Kopfhörer, Fernseher und Konsolen zusammen kamen. Aber es bereitete und bereitet auch viel Freude und ich bereue keinen Cent. Das Resultat ist ein wundervolles Hobby – und für viele bin ich hier im Forum sicher kein ganz Unbekannter. Außerdem entging mir in den letzten Jahren auch keine HiFi-Messe und kein Workshop in den verschiedenen HiFi-Fachgeschäften der Region.

Alles in allem würde ich also sagen, ich bin zwar weder Musiker noch Toningenieur, aber meine Ohren haben vieles gehört – sehr vieles – und meine Augen unzähliges gesehen und gelesen. Ergebnis ist eine markante Meinung, die ich gerne teile. Beispielsweise im Rahmen grandioser Aktionen wie dem quadral Community-Test. Normalerweise höre ich über zwei Elac FS 247.2 (zierliche zweieinhalb-Wege-Standboxen) und einen Rotel RA-1570 Vollverstärker. Darüber läuft bei mir dann alles: Musik, Film, Fernsehen, Streaming und Gaming. Guter Sound ist mir nämlich in jeder Lebenslage wichtig und ich setze dabei vollends auf Stereo.

Nun war es in der Vergangenheit so, dass mir passive Lautsprecher in der Regel klanglich immer besser gefielen, als aktive. Und bevor jemand schimpft: Ich weiß, dass aktive Lautsprecher aus technischer und akustischer Sicht einige faktische Vorteile gegenüber passiven haben (mehr dazu später). Es verhält sich wahrscheinlich einfach ähnlich wie bei Röhrenverstärkern, bei denen es ja eine additive Komponente ist, die viele als wohlklingend empfinden. Im Vergleich zum Transistorverstärker verzerrt der Röhrenverstärker mehr (durch harmonische Klirr-Anteile), verhält sich impedanzkritischer und ist weniger leistungsfähig, was sich im „Schlimmstfall“ sogar in einem welligen Frequenzgang am Ausgang der Endstufen äußert, wenn komplexe Last an ihnen hängt.

Diese Art Zugabe des Verstärkers trifft den Geschmack vieler Hörer. Bei passiven Lautsprechern verhält es sich in mancher Hinsicht ähnlich. Durch Eigenarten von Bassreflex-Ports und Frequenzweichen fehlt es im allertiefsten Tiefbass, häufig kommt es zu einer Extraportion Oberbass (je nach Portposition und Wandnähe) und der Sound aus dem Port kommt vielleicht nicht perfekt zeitgenau und auch nicht knochentrocken. Das weicht von der perfekten Reproduktion einer geschlossenen Aktivbox der Spitzenklasse ab, klingt aber im Zweifelsfall saftig, voll, weich – das, was manch einer auch „musikalisch“ nennen würde.

So kam es im Rahmen einiger Workshops und Messe-Aufführungen dazu, dass rein passive Ketten meinen Geschmack besser trafen, als aktive Lautsprecher. Und auch den Geschmack meiner Begleiter. Das untere Frequenzdrittel der Dali Oberon 7 in Verbund mit dem Audiolab 6000A gefiel besser als das der aktiven Callisto 6 C. Obwohl die passive Anlage nur die Hälfte kostet. Die KEF LS50 Wireless ließ uns kalt, der gleiche Song im selben Raum über die KEF R3 an Arcam Elektronik und sofort gab es Gänsehaut. Kompakte Sonus Faber mit gigantischem Subwoofer (also ein teilaktives System) waren großen, passiven Sonus Faber Standlautsprechern ohne Sub um Klassen unterlegen.

Für den Test der AURUM GAMMA sind also drei wichtige Dinge festzuhalten: Erstens: Ich bin stets bemüht, trotz meiner bisherigen Erfahrungen immer objektiv und vor allem offen zu bleiben. Zweitens: Aus meinen bisherigen Aktiv-Erfahrungen ziehe ich gemischte Gefühle. Und drittens: Mit meiner kritischen Meinung gegenüber Aktivlautsprechern stehe ich ziemlich alleine da.

quadral und ich

In meinem Kommentar zur Testbewerbung schrieb ich, dass ich mich sowohl über die GAMMA als auch über die ORKAN freuen würde, im Zweifelsfall aber gerne die ORKAN bekäme. Warum das?

Zunächst einmal, weil quadral als Firma für mich einen hohen Stellenwert besitzt. Deutsche Lautsprecherhersteller, die sich nicht dem Mainstream Consumer Market verschrieben haben und wunderschöne, exklusive Produkte vertreiben, aber trotzdem nicht in horrend teuren Kleinstserien produzieren, denen „Made in Germany“ etwas bedeutet und deren Manpower die zehn Mann übersteigt – davon gibt es nicht so viele. Elac, T+A, Canton vielleicht und eben quadral. Die anderen sind entweder teure beziehungsweise wohnraumunfreundliche Exoten oder haben nichts mehr wirklich Exklusives, weil sie von asiatischen Konzernen geschluckt wurden und/oder sich nur noch auf Soundbars, Bluetooth-Lautsprecher, Bluetooth-Kopfhörer und Radiowecker konzentrieren. Eine Handvoll Hersteller, die das Kleinod deutscher Lautsprecherkunst bilden.

Obwohl ich im HiFi-Forum relativ aktiv bin, habe ich die Community-Tests bisher zwar verfolgt, mich aber nie beworben. Bei quadral konnte ich aber nicht „nein“ sagen. Die neunte und aktuelle Generation der AURUM-Serie trifft genau meinen Geschmack – optisch, technisch und preislich. Gerade in die beiden kleineren Standlautsprecher RODAN 9 und MONTAN 9 bin ich schon lange verschossen. Zu ihnen verfolge ich jeden Test, verschlinge alle Bilder und Informationen und wenn ich aktuell im Bereich um 5000-Euro-Boxen suchen würde, wären sie ganz, ganz weit oben auf der Liste. Was – oder viel eher: wer – das sehr positive Bild, das ich von quadral habe, ebenfalls geprägt hat und weiter prägt, ist Entwicklungsleiter Sascha Reckert. Interviews von Herrn Reckert (von denen es im Internet zahlreiche zu finden gibt) holen mich gleich auf mehreren Ebenen ab.

Zum einen macht er einen sehr sympathischen Eindruck und zum anderen überzeugt er durch viel Wissen und setzt meines Erachtens die Prioritäten bei der Entwicklungsarbeit richtig. Heutzutage steht auch bei den HiFi-Herstellern immer häufiger die Box als Design-Stück und Lifestyle-Produkt im Mittelpunkt. Dass Leute, die sich Lautsprecher im mittleren vierstelligen Preisbereich und darüber ansehen, zwar hübsche Boxen wollen, aber auch an der Technik dahinter interessiert sind, gerät immer mehr in Vergessenheit. Auftritte von Entwicklungsleitern, die bereit sind, hier interessante Insights zu liefern, rechne ich den zugehörigen Unternehmen sehr hoch an.

Warum quadral, sollte also nun klar sein. Aber warum ursprünglich eher die ORKAN als die GAMMA für den Test? Nun ja, das hat mehrere Gründe. Zum einen meine oben erwähnten Erfahrungen mit Aktivlautsprechern. Zum anderen fand ich den Gedanken interessant, eine Box zu testen, die ich mir in den nächsten Jahren theoretisch zulegen könnte. In meinem Alter liegen die Prioritäten aktuell bei den künftigen eigenen vier Wänden und anderen Dingen, die vielleicht nicht wirklich viel Spaß machen, aber leider einfach Vorrang haben. 4000 Euro für ein Boxenpaar sind zwar viel Geld, aber die ORKAN könnte ich im Moment wohl finanziell irgendwie verschmerzen. Auch die Dimensionen passen zur aktuellen Wohnsituation. Die GAMMA ist mit dem dreifachen Preis und dem zumindest gefühlt dreifachen Gehäusevolumen in den kommenden Jahren außer Reichweite.

Und dennoch ist es die GAMMA geworden. Weil man den Teil meines Kommentares zur Testbewerbung überlesen hatte? Weil schon drei Tester für die ORKAN ausgewählt worden waren? Weil für meinen bevorzugten Testzeitraum die GAMMAS einfach verfügbarer waren? Ich weiß es nicht, weil es mir so egal war, dass ich nicht einmal nachfragte. Als ich die Nachricht erhielt, dass ich als Tester ausgewählt wurde, war da nämlich nur noch riesige Vorfreude. Und da kam es mir: Der Nachteil ist, dass ich Luxusboxen teste, die ich mir kurz- und mittelfristig nicht leisten mag und kann. Der Vorteil ist, dass ich Luxusboxen teste, die ich mir kurz- und mittelfristig nicht leisten mag und kann! Wow, Traumlautsprecher aus dem fünfstelligen Eurobereich zwei Wochen lang bei mir zu Hause. Jackpot!

Die AURUM GAMMA

Nun geht es endlich ans Eingemachte. Kurze Absprache mit der HiFi-Forum-Redaktion und dem netten Herrn von quadral. Der Termin für die Anlieferung fällt tatsächlich genau auf den 30. September und damit auf meinen angegebenen Wunschzeitraum. Ganz nebenbei der Montag meines einwöchigen Urlaubs. Da kommt Freude auf!
Die GAMMAS werden mir von quadrals Technical Supervisor persönlich angeliefert. Der sehr freundliche Herr übernimmt auch Aufstellung und Einmessung und hat für alle Fragen eine sehr fundierte und professionelle Antwort parat. Aber von vorne!

Die Kartons machten schon mächtig Eindruck und das ausgepackte Produkt nicht minder. Die GAMMAS sind große Lautsprecher. Sehr große! Für ihr enormes Volumen machen sie jedoch einen sehr gradlinigen, eleganten, fast schlanken Eindruck. Die Verarbeitungsqualität ist eine Wucht. Es kommt kein Zweifel auf, dass es sich hierbei um die Königsklasse der Lautsprecher handelt. Sie kommen in Schwarz. Das Lackfinish ist schlicht perfekt – Lack ist eben nicht gleich Lack, das vergisst man schnell, aber solche Momente rufen es direkt wieder in Erinnerung. Wie die Körbe ins Gehäuse eingelassen sind, Membranen und Sicken, die verchromte Zierleiste als Namensschild: Mikrometer genaue Spaltmaße, nirgends Klebereste, kleinste Asymmetrien oder sonstiges. Hier bekommt man, wofür man zahlt. 

Optisch sehr positiv finde ich die Lautsprechergitter, die über die gesamte Schallwand gehen. Meiner Meinung nach ein absolutes Muss. Das machen viel zu wenige Hersteller so. Gitter, die nur die obere Hälfte oder das obere Drittel der Schallwand bedecken, sehen ulkig aus und sind nicht nur eine klangliche, sondern auch ein kosmetische Abwertung, finde ich. Bei den GAMMAS wird die Stoffbespannung außerdem nicht vom üblichen billigen Pressholz gehalten, sondern vom gewichtigen Metallrahmen – standesgemäß! Ich finde das Erscheinungsbild mit Lautsprechergitter so gelungen, dass ich es dem ohne sogar vorziehe. Ich habe das Gefühl, dass der Optik eines Lautsprechers häufig zu wenig Beachtung geschenkt wird. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Die wenigsten haben dedizierte Listening Rooms oder „Man Caves“. Die meisten Lautsprecher stehen in Wohnzimmern – und wer möchte nicht schön wohnen? Außerdem hört das Auge mit. Was uns visuell gefällt, hört sich meist subjektiv auch besser an. Entwarnung bei den GAMMAS: Hat man ein großes Wohnzimmer, fügen sie sich als hochwertige Möbel perfekt ins Gesamtbild ein.

Bild: Simon Hämmerle

Kommen wir zum Technischen! Das Erste, das mir zur GAMMA und allgemein zu quadral einfällt, ist der Folienhochtöner. Folie im Hochton hört man. Das ist eine der wenigen Tatsachen, zwischen all dem Voodoo im HiFi-Bereich. Mir ist noch keine andere Hochtontechnik unter die Ohren gekommen, die ähnlich frei, schnell und fein klingt. Sonus Fabers Seidenkalotte klingt ganz anständig. Anders, aber in Summe fast genauso gut wie die Folie, klingen vielleicht noch manche Metallkalotten in Hörnern; eine Triangle hat mich hier einmal umgehauen. Sonst gefallen mir aber ausschließlich Folien.

Und die der GAMMA hat all die klanglichen Vorteile, die ich von einer richtig guten Folie erwarte. Im Mitteltiefton kommt bei quadral die Altima-Membran zum Einsatz. Eine Legierung aus Aluminium, Titan und Magnesium. Jedes dieser Leichtmetalle hat für sich genommen eine Eigenresonanz, im Verbund der Legierung werden diese aus dem Hörbereich verdrängt. Das andere Markenzeichen einer quadral – die Druckkammer – hat es leider nicht in die AURUM-Aktiv-Reihe geschafft. Dafür sind sie aktiv – und wie die meisten Aktiven geschlossen.

Geschlossene Lautsprecher sind heute eine echte Rarität. Zu groß müssten die Gehäuse sein, um echten Tiefbass zu reproduzieren. Bei sehr tiefen Tönen müssen Bassmembranen teilweise zu enormem Hub fähig sein, um den nötigen Pegel zu erreichen. Wenn die Membran eines geschlossenen Lautsprechers sich auswärts bewegen möchte, muss sie gegen den entstehenden Unterdruck des luftdichten Gehäuseraums ankämpfen. Bewegt sie sich einwärts, ist das Gegenteil der Fall und sie kämpft gegen einen Überdruck.

Man kann also entweder eine kleine Öffnung in den Boxen schaffen, um ein Bassreflexrohr anzubringen. Oder man baut aktive Lautsprecher, bei denen jeder Frequenzbereich seinen eigenen, sehr potenten Verstärker hat, und steckt einfach so viel Power in die Basschassis, dass ihnen Unter- und Überdruck ganz egal sind. Es sei erwähnt, dass das wahrscheinlich eine sehr vereinfachte Version der wahren Gegebenheiten ist und dass das auch nicht der einzige Vorteil aktiver Lautsprecher ist. Aber es ist sicher einer der größten Vorteile. Vieles am Verhalten von Bassreflexrohren ist nämlich suboptimal und in den 20-Hertz-Keller steigt kein passiver Lautsprecher (oder zumindest kaum einer). Außerdem auf der Plusseite der Aktiven: Es Bedarf keiner analogen Frequenzweiche, Verstärker und Chassis können perfekt aufeinander abgestimmt, Signalwege kurz gehalten werden und, und, und.

Bild: Simon Hämmerle

Die letzten paar Sätze zu den technischen Fakten, bevor ich dann auf die Bedienung und letztendlich auf meine Höreindrücke eingehen möchte. Auf die ein oder andere Besonderheit der GAMMA bin ich nämlich noch nicht eingegangen. Die GAMMA ist eine Dreiwege-Box, bei der zwei Mitteltöner in einer sogenannten D’Appolito-Anordnung oberhalb und unterhalb des Hochtöners angebracht sind. Kennen tut man das schon von quadrals großen Passiven – ein Trick, der von vielen Herstellern angewendet wird, um die vertikale Abstrahlcharakteristik im Mittelhochtonbereich zu verbessern. Das sorgt dann aufgrund verringerter Schallreflexionen im Raum für einen räumlicheren Klang.

Mein ganz persönliches Problemchen mit der D’Appolito-Anordnung ist, dass es meiner Meinung nach nicht unbedingt sexy aussieht. Mit so viel Membranfläche so weit oben wirken Boxen optisch etwas „kopflastiger“, als man es von Boxen kennt, die den kleinen Hochtöner an oberster Stelle haben und sich so nach oben hin augenscheinlich verjüngen. Das ist auch der Grund, weshalb ich ORKAN, RODAN und MONTAN für die schönsten Geschwister im Bunde halte und weshalb mir die GAMMA mit Lautsprechergitter optisch etwas besser gefällt als ohne. Das ist natürlich rein subjektiv.

Eine weitere Auffälligkeit bei der GAMMA ist, dass ihre beiden Tieftöner seitlich angebracht sind und nicht auf der Schallwand, wie die anderen Treiber. Das macht aus zwei Gründen nichts aus: Erstens ist das menschliche Gehör sehr schlecht darin, Tieftonschallquellen zu orten. Zweitens breitet sich Tiefton omnidirektional aus. Was äußerlich zudem noch auffällt, sind schlitzförmige Öffnungen unter- und oberhalb der Plattenverstärker auf der Rückseite der Boxen. Nanu, die GAMMAS sind doch geschlossen? Sind sie auch, die beiden Schlitze dienen nur der Belüftung und passiven Kühlung der Elektronik und haben keinen akustischen Zweck. Man nutzt hier den Kamineffekt clever aus und lässt durch oben ausströmende, warme Luft einen Unterdruck entstehen, der unten frische, kalte Luft nachziehen lässt.

Sicherlich ist eine der bedeutendsten und nennenswertesten Eigenschaften der GAMMA jedoch, dass sie nicht nur eine Aktivbox ist, sondern auch eine kabellose Streamingbox mit Raumeinmessung. Moderner geht es eigentlich nicht. Man spart sich also nicht nur wie bei üblichen Aktivboxen die Endstufe, sondern auch die Vorstufe, den DAC, den Streamer, alle zugehörigen Kabel und bekommt noch Raumeinmessung oben drauf. Und nicht nur irgendeine Raumeinmessung: Dirac Live genießt größtes Ansehen in der Branche. 

Bild: Simon Hämmerle

Raumeinmessung ist ein Thema für sich und würde den ohnehin schon ausufernden Test noch weiter in die Länge treiben. Daher halte ich mich kurz. Die offensichtlichsten Baustellen für Raumkorrekturen sind die Ungleichheiten zwischen rechtem und linkem Kanal und Raummoden im Bassbereich. Gute Raumkorrekturen wie Dirac Live korrigieren aber noch viel mehr (etwa Zeit- beziehungsweise Phasenverhalten). Ich spiele schon lange mit dem Gedanken, eine Art von Raumkorrektur in mein System zu bringen. Sei es durch ein miniDSP, einen Lyngdorf oder sonst irgendwie.

Mein Hörraum ist nämlich knapp 27 Quadratmeter groß, perfekt quadratisch, hallig. Eine der vier Wandflächen besteht komplett aus Glas, die rechte Box steht wandnah frei und die linke sogar im Eck. Viel schlimmer geht es kaum. Häufig regen tiefe Frequenzen Raummoden an und es dröhnt selbst bei moderater Lautstärke. Das ist gerade in einer Mietwohnung mit Nachbarn in allen Himmelsrichtungen wirklich nervig. Die Box im Eck produziert unweigerlich mehr Schallreflexionen, weshalb sie in den oberen zwei Frequenzdritteln vermutlich genauso laut ist wie die andere, im unteren Drittel dafür wahrscheinlich gut doppelt so laut. 

Mein Raum ist also beinahe prädestiniert für solche Hilfsmittel – auch, weil die GAMMA für 27 Quadratmeter in jeder Hinsicht überdimensioniert ist. Der Einmessvorgang war überraschend aufwendig, aber durch die Dirac UI dennoch intuitiv. Das hat ja sowieso der Herr von quadral für mich übernommen. Der warnte mich auch schon vor: Mein Raum sei sehr hallig. Wenn ich mich daran gewöhnt habe, kann es sein, dass es für mich mit Dirac Live etwas leblos klingt (da Dirac auch Raumechos eliminiert).

Dann war alles fertig vermessen und ich konnte über die App eine warme oder neutrale Zielkurve wählen oder auch komplett ohne Dirac arbeiten. Das geht während des Betriebs und macht so den Direktvergleich spielend möglich. Lautstärke, Quellenwahl, Tidal, Internetradio – alles über die quadral-App. Eine Fernbedienung gibt es nicht. Die App sieht schick aus und ist relativ fehlerfrei, reagiert aber teils etwas verzögert. Eine Fernbedienung habe ich eigentlich nur beim Lauter- und Leisermachen vermisst – das geht nämlich nur über den Regler in der App und die GAMMA reagiert dann auf Lautstärkeänderungen auch leicht verzögert. 

Nett: Ein aktiver Tidal-Account wurde mir für die Testphase zur Verfügung gestellt. Was mich etwas überraschte, war, dass die GAMMAS zwischen eingehendem und austretendem Signal doch eine recht hohe Latenz haben. Es wird zwar unter Hochdruck daran gearbeitet, diese zu verringern, aber zur Zeit meines Tests vergingen etwa 500 Millisekunden zwischen Signaleingang und Schallausgabe. Klingt nach wenig, ist aber für Film und Gaming viel zu viel. Ich habe es kurz mit Netflix versucht, die fehlende Lippensynchronität irritiert aber derart, dass ich mich dazu entschlossen habe, keine weiteren Versuche zu unternehmen. Ein Deaktivieren von Dirac verringert die Latenz im Bestfall auf 430 Millisekunden. Analog in die GAMMA zu gehen bringt auch nichts, da alles Analoge direkt digitalisiert wird. Das sind dann vielleicht 431 Millisekunden. Sehr schade, denn ich wollte die GAMMA gerne auch mal mit Filmen und Games testen. Die Freude haben dann eben ausschließlich Käufer nach dem nächsten Softwareupdate.

Höreindrücke

Der Anblick dieser beiden Giganten ist schon fast furchteinflößend – vor allem in meinem mittelgroßen Wohnzimmer. Ich musste die Maximallautstärke auf drei Prozent verringern. Wenn ich den Lautstärke-Regler in der App also rechts zum Anschlag bringe, sind das drei Prozent des Potenzials der GAMMA (toll und weit gedacht, dass es so eine Funktion gibt). Und trotzdem kam ich mit dem Regler in den gesamten zwei Wochen nie über die erste Hälfte. Diese Lautsprecher haben Power!

Aber keine ungestüme Power. Nicht im geringsten. Die ersten Klänge aus einem neuen Lautsprecher sind etwas besonderes. Ich fing mit der warmen Dirac-Zielkurve an. Das erste, was mir auffiel, war tatsächlich die gigantisch große Bühne. Wow, das ging zu beiden Seiten weit über die linke und rechte Box hinaus. Obwohl schon nach knappen 40 Zentimetern eine Betonwand links neben der linken Box die Dimensionen meines Hörraums quittiert, hörte ich bei geschlossenen Augen auch noch einen Meter weiter links Instrumente und sonstige Schallquellen. Um das zu schaffen, muss eine Box gut sein – verdammt gut sogar. Dazu trägt sicher der antrittsschnelle, verzerrungsfreie und hochauflösende Folienhochtöner bei.

Die großartigen Mitteltöner in D’Appilito-Anordnung mit ihren überdimensionierten Magnetantrieben tun ihr Übriges. Das Nächste was mir auffiel, war der wider Erwarten sehr gezähmte und unfassbar saubere Bass. Eine für meine Räumlichkeiten derart überdimensionierte Box kann so manierlich aufspielen? Versteht mich bitte nicht falsch, da war ganz unmissverständlich Power und Tiefgang. Aber nichts dröhnte, die Mitten waren frei von vorlauten Bässen, die irgendwas übertönen könnten. Basswellen waren nicht eine einzige Millisekunde zu lang im Raum. Alles tight, alles trocken. Mit viel Punch. Sowas geht nur aktiv und geschlossen. Oder macht Dirac hier vielleicht die ganze Arbeit?

Das lässt sich ja kinderleicht herausfinden. Schnell mal bei laufender Musik über die App mit den Dirac-Einstellungen herumgespielt. Kurz zur neutralen Dirac-Zielkurve gewechselt. Oh nein, das ist nicht meins. Das war zu sehr nach Lehrbuch, mehr Analyse, weniger Wärme. Wenn Dirac, dann mit der warmen Zielkurve, die eine kleine kultivierte Anhebung in Tiefbass, Bass und Oberbass vorsieht. Nur wenige Dezibel und in Summe dennoch sehr viel weniger Bass, als in meinem Wohnzimmer ohne Raumkorrektur. Dann blieb also der Wechsel zwischen Dirac mit warmer Zielkurve und ohne Dirac noch interessant – und nie hätte ich erahnt, wie interessant. 

Vor diesem Test stand für mich fest, dass der nächste Vollverstärker beziehungsweise die nächste Vorstufe, die ich mir anschaffe, Raumkorrektur-fähig sein muss. Punkt. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Aber lasst mich darauf bitte etwas genauer eingehen. “Derart große Boxen wie die GAMMA, mit so viel Kraft, so eingeengt aufgestellt in einem mittelgroßen Wohnzimmer – wenn ich jetzt Dirac deaktiviere, habe ich drei Anzeigen wegen Ruhestörung am Hals”, so dachte ich. Ich habe ja schon Schwierigkeiten mit meinen kleinen Elacs, die maximal ein Drittel des Gehäusevolumens haben und mit ihren zwei 15ern im Bass weniger Membranfläche haben, als die GAMMA im Mittelton. Probieren geht über Studieren. Ich suche mir also ein “tieftonbetontes” Lied und deaktiviere Dirac.

Okay, das muss schief gegangen sein. Bei Dirac steht jetzt zwar “Nein”, aber klanglich verändert hat sich nichts. Dann eben schnell wieder zu “Ja” und dann wieder zu “Nein”. Moment, beim Sprung auf “Ja” hat sich jetzt doch eine Kleinigkeit verändert. Ja, der Wechsel funktioniert doch. Aber die Unterschiede sind kleiner, als erwartet. Spricht das gegen Dirac? Nein, viel eher für Dirac und vor allem für die GAMMAS. So geht also Bass. Trotz ihrer Dimensionen, ihres Potenzials und ihrer nicht artgerechten Haltung, habe ich mit dem GAMMA-Bass weniger Probleme, als mit dem Bass meiner 247.2er. Wer versteht, wie viel dieser Satz bedeutet, der weiß, dass damit eigentlich mehr als genug gesagt ist, um den GAMMAS einen Platz unter den Superlautsprechern zu sichern. Da hat Dirac einfach nicht so viel zu korrigieren. Ziemlich ironisch: Die GAMMAS sind unter den wenigen Streaming-Lautsprechern mit Raumeinmessung auf dem Markt. Aber der Fakt, dass sie in ihrer Größenklasse die Raumeinmessung am wenigsten nötig haben, macht sie wohl zur wirklichen Seltenheit.

Was unterscheidet den Klang mit Dirac vom Klang ohne Dirac denn jetzt genau? Wie gesagt, hätte ich mir den Unterschied gravierender vorgestellt. Bei anderen Lautsprechern wäre er wohl auch größer. Wenn die GAMMA dann mal dröhnt, dann bügelt Dirac das aber zuverlässig aus. Die weiteren Details zu den Unterschieden würde ich gerne an ein paar Beispielsongs festmachen.

Ein Track, den ich immer gerne höre, ist “Dancing in the Dark” aus Trevor Horns “Reimagines – The Eighties” zusammen mit dem Sarm Orchestra. Der Einstieg mit den Bläsern sorgt unweigerlich für Gänsehaut, völlig egal ob mit Dirac oder nicht. Ein weiterer Punkt für die GAMMA. Bei der folgenden ruhigeren Passage, bei der dann schließlich das Piano einsetzt, hört man jeden Ton vor einem rabenschwarzen Hintergrund. Still kann die GAMMA genauso gut, wie laut – sehr wichtig für die Dynamik im Feinen. Gabrielle Aplin setzt mit dem Gesang ein. Keine vierzig Sekunden sind vergangen und die Haare am Unterarm stehen zum zweiten Mal zu Berge. Chapeau! Fünfzehn Sekunden später nochmal, als die Streicher im Hintergrund dazukommen. Die GAMMA darf ihren Preis kosten. Und ohne Dirac? Ohne Dirac löst sich Aplins Stimme tatsächlich besser von den Boxen, sie schwebt irgendwo dazwischen.

Wenn ich Dirac aktiviere, zerfällt dieser Eindruck. Mit Dirac scheint die Stimme wieder mehr von der linken und der rechten Box zu kommen, die Räumlichkeit wirkt diffuser, man kann nur noch schwer ausmachen, woher der Gesang kommt. Allgemein wirkt ohne Dirac alles etwas mehr im Fluss. Mit Dirac werden mehr Informationen an den Hörer transportiert, man hört die einzelnen Instrumente besser getrennt voneinander. Das hat aber zur Folge, dass es nicht mehr wie aus einem Guss wirkt. Klare Entscheidung für die GAMMA ohne Dirac.

Der nächste Track ist “Reminder” vom Trio der Gruppe Moderat. Der Zusammenschluss aus Modeselektor und Musiker Apparat produziert eindrückliche und vielschichtige Musik. Für mich sind gerade das erste und das dritte Album seit Jahren Stammgäste bei Hörsessions. Diesmal sollte es also ein Titel aus dem dritten sein. Am Anfang nur Drumsticks, Sascha Rings fragiler Gesang und dahinter viel Stille. Das kommt über die GAMMA atemberaubend klar. Ab Sekunde 24 dann der pochende Bass. Pünktlich zum Abschluss der ersten Minute bricht dann eine Flutwelle aus elektronischen Klängen und sphärischem Gesang über den Hörer herein. Nicht einfach nur Krach, wie in manchen Charts-Produktionen. Ein akustisches Vollbad. Bewusst überwältigend. Die elektronischen Bässe haben hier mit Dirac viel mehr Information, “unten rum” hört man dann wirklich alles. Ein tolles Erlebnis. Ohne Dirac tauscht man diese Information gegen etwas mehr Fülle ein.

Eine kritische Passage – hier hatte ich eigentlich befürchtet, dass mein Hörraum ohne Dirac mit den GAMMAS komplett überfordert ist und der Nachbar klingelt. Die Unterschiede waren aber erschreckend geringer. Haben diese Lautsprecher einen vornehmen Tiefton! Großer Sport! Da war viel mehr Kraft, als bei meinen kleinen Elacs, das ging deutlich tiefer und trotzdem war alles sauberer, trockener, tendierte nicht so schnell zum Dröhnen. So ein Spagat ist ein Kunststück. Die Unterschiede in der Räumlichkeit mit und ohne Dirac waren nicht ganz so prägnant, wie beim vorherigen Stück von Trevor Horn. Das hohe Niveau der GAMMA zeigte sich hier bei beiden Einstellungen. Sascha Ring befindet sich ohne Dirac zwischen den Boxen, circa einen halben Meter nach hinten versetzt. Mit Dirac rückt er gefühlt noch einmal einen halben Meter nach hinten und eigenartigerweise auch etwas nach unten. Die Stimme löst sich nicht mehr ganz so souverän von den Boxen, man kann sie als Schallquelle erahnen (ohne Dirac war das schlicht unmöglich). Hier fällt die Entscheidung, ob lieber mit oder ohne Dirac, etwas schwerer. Wäre mein Raum doppelt so groß und die GAMMAS freier aufgestellt, dann würde die Wahl auf ohne Dirac fallen. So gibt es ein Unentschieden. 

Der letzte Track, auf den ich hier näher eingehen will, ist “The Enigma of Copyright” von Headphone Activist. Ein Titel, der ab Sekunde 22 richtig loslegt und sich dann auch keine nennenswerte Pause mehr gönnt. Für mich eine Gänsehautgarantie, ich liebe diesen Track einfach. Ohne Dirac wurde hier eine Raummode angeregt. Das habe ich mit der GAMMA eher selten geschafft, hier aber dafür so richtig. Schon bei geringster Lautstärke war das Dröhnen so enorm, dass nicht daran zu denken war, lauter zu drehen. So leise gespielt, konnte man den Rest vom Lied aber kaum hören. Und dabei wird der Titel mit jedem zusätzlichen Dezibel besser. Mit Dirac war das Dröhnen komplett weg. Gar nichts mehr. Und das Lied hat nichts von seinem Zauber verloren. Danke Dirac, dass du mir “The Enigma of Copyright” gerettet hast!

Und was ist mit meiner Passivaffinität? Die bleibt leider. In der perfekten Welt höre ich schön unsauber, saftig und rund mit großen Passiven und ohne Nachbarn. Vielleicht eine Geschmacksverirrung. In der realen Welt hat die GAMMA mir gezeigt, wie sexy und vor allem praxisnah aktiv sein kann. Durchzug ohne Unsauberkeiten. Alles integriert in einem attraktiven All-in-One Gesamtpaket. Und das klingt verflucht gut.

Fazit

Die GAMMA ist eine Wucht. Am Ende bleibt es natürlich eine Geschmacksfrage. Wie so oft im Leben. Jeder Topf hat seinen Deckel und jeder HiFi-Liebhaber seinen Traumlautsprecher. Der Preis ist dabei zweitrangig. Ich habe viele Boxen zwischen 5.000 und 15.000 Euro gehört, die mir besser gefielen, als Anlagen im sechsstelligen Preisbereich. 

Würde ich mir die GAMMAS in meiner aktuellen Situation kaufen? Nein. Aber sie hat das ohnehin schon gute Bild, das ich von quadral habe, noch weiter verbessert. ORKAN, RODAN und MONTAN werden immer attraktiver. Man muss eben mit dem arbeiten, was man hat. Das erwarten ja auch die Hersteller von einem. Bei einem Plausch während der Abholung meinte der Herr von quadral ebenfalls: “Eine MONTAN würde in dem Raum hier sicher NOCH geiler klingen.” Hut ab – quadrals größter Wunsch ist es, dass es beim Kunden gut klingt.

Würde ich mir die GAMMA kaufen, wenn ich das doppelte an Quadratmetern hätte und kurz vor dem Ruhestand wäre? Sie wäre auf jeden Fall ganz weit oben auf der Liste. Wenn quadral sie zukünftig mit dem tollen matten Nussbaum-Holzfurnier der Passivserie anbietet, nochmal ein ganzes Stück weiter oben.

Sie klingt nicht nur. Mit integriertem Streaming und solider App ist sie auch eine Sorgloslösung. Externe Quellen lassen sich auch anschließen (analog und digital) und in der Zukunft sind Software- und Hardware-Updates möglich. Zukunftssicher ist sie somit! Dirac Live ist für mich viel eher ein situatives Werkzeug als ein Muss im täglichen Betrieb. Das wertet die Raumeinmessung in keiner Hinsicht ab, sondern ist einfach ein weiteres Lob für die GAMMA.

Jetzt ansehen: Die quadral-Community-Tests in Bildern

Du möchtest wissen, was die anderen fünf teilnehmenden Community-Mitglieder zu sagen hatten? Dann besuche einfach unsere Community-Testübersicht zu den High End-Lautsprechern AURUM GAMMA und ORKAN von quadral!

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