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Review zu The Brutalist: Die Architektur der Gesellschaft

Zehn Oscarnominierungen, positive Reviews – aber ist der über 200 Minuten lange Film das Richtige für dich?
Oscar-Favorit The Brutalist: Lohnen sich die 3 1/2 Stunden im Kino? Bild: Universal Pictures

Bester Film, Beste Regie, Bester Hauptdarsteller – The Brutalist, der neue Film von Regisseur Brady Corbet (Vox Lux) wurde von der Academy in fast allen wichtigen Kategorien nominiert. Heute startet das 3 1/2 Stunden lange Epos im Kino – aber lohnt es sich auch?

Ist The Brutalist der richtige Film für dich?

The Brutalist ist amerikanisches Monumental-Kino durch und durch. Die Handlung beginnt 1947, als der jüdische Architekt László Tóth – großartig gespielt von Adrien Brody – zum ersten mal den Boden der USA betritt. Er überlebte den Holocaust und möchte jetzt seinen eigenen amerikanischen Traum leben. Doch als sein Cousin ihn unter Vorwänden aus dem Haus wirft und er mit der harten Realität der amerikanischen Arbeiterklasse konfrontiert wird, droht der Traum zu platzen. Der Film erzählt mit unglaublichen Bildern und innovativen Kameraeinstellungen eine realistische Einwanderungsgeschichte, die sich klassischer Filmdramaturgie verwehrt und unvorhersehbar ist, wie es nur wenige Filme mit diesem Thema je waren.

Adrien Brody in The Brutalist
Adrien Brody liefert in der Rolle des László Tóth mal wieder unbestreitbar ab. | Bild: Universal

Das macht den Film zu einem der spannendsten und besondersten Filme der letzten Zeit. Aber eben auch zu einem speziellen Werk, das sich nicht unbedingt mit aktuellen Sehgewohnheiten vereinen lässt. Denn in den 3 1/2 Stunden passiert vergleichsweise wenig, Szenen werden teilweise extrem lang ausgebaut, Dialoge ziehen sich und Bild-Montagen von Aufnahmen amerikanischer Großstädte nehmen ebenfalls einen großen Platz im Film ein. In der Mitte des Films gibt es sogar eine 15-minütige Intermission.

Wenn du gerne lange Filme schaust und dich in Bildern verlieren kannst, auch, ohne dass dir ständig neue Plot-Points präsentiert werden, dann ist The Brutalist genau das Richtige für dich. Solltest du dich aber schnell langweilen und lieber spannungsgeladenes Kino ohne Leerlauf schauen, dann könnten dir die 215 Minuten wie eine Ewigkeit vorkommen.

Die Architektur der Unterdrückung

Wird The Brutalist bei den Oscars als bester Film ausgezeichnet? Wenn wir einen Blick auf die vergangenen Gewinner werfen, ist das gar nicht so wahrscheinlich. Politische Filme wie Nomadland, Parasite oder Green Book gewannen den Preis, indem sie auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machten, aber eine fundamentale Kritik an den Säulen, auf denen Amerika fußt, konnte noch nie den begehrten Preis mit nach Hause nehmen. Vielleicht ist The Brutalist aber auch angesichts der zweiten Amtszeit Donald Trumps die perfekte Chance für die Academy, ein Zeichen zu setzen.

Die Säulen aus The Brutalist
Die Säulen von László Tóths Gebäude – oder doch die Säulen der westlichen Gesellschaft? | Bild: Universal

The Brutalist handelt im Kern von Architektur. Der Architektur von Gebäuden, der Architektur von Filmen und der Architektur einer Gesellschaft. The Brutalist ist ein Ur-Amerikanischer Film, wie wir ihn seit Paul Thomas Andersons There Will Be Blood nicht mehr gesehen haben. Er ist ein Abgesang auf die Baupläne einer Gesellschaft, dessen freiheitliche Werte zu einer Ungleichheit geführt haben, die sich in die Grundfesten der psychischen und physischen Gestalt des Staates eingenistet hat.

Die finanzielle Ungleichheit zeigt sich in den Schlafräumen der Reichen und der Armen, die mentale Ungleichheit in den Traumata, die Kriegsopfer und Soldaten in sich tragen, nicht aber die reichen Männer, die an den Schalthebeln sitzen. The Brutalist wählt die Wolkenkratzer New Yorks als Symbol ebendieser Zustände, die übergroßen Gebäude, die alles um sich herum verblassen lassen. Der Film handelt von brutalistischen Gebäuden, von Traumabewältigung durch Architektur und er verbindet diese mit Bildern amerikanischer Großstädte, die ebenso das unterdrückte amerikanische Trauma der brutal(istisch)en Gesellschaft abbilden.

The Brutalist: Der perfekte Film für diese Zeit?

Der Film handelt von vielem, besonders aber davon, dass die herrschende Klasse, die vor allem aus weißen Männern besteht, nicht zur Unterordnung fähig ist. Natur muss funktionalisiert werden, Häuser müssen alle anderen überragen und selbst die Kunst muss ins kapitalistische System eingehegt werden. Der Film entblößt den reichen Mann als Manifestation der verrotteten Strukturen und er tut das ohne Klischees, ohne Plakativität und ohne eindeutigen Fingerzeig.

Zusätzlich zeichnet er eine feindliche Gesellschaft, die Strukturen des patriarchalen Systems und entlarvt den amerikanischen Traum als Mythos. Und genau deshalb ist er vielleicht der ideale Film für diese Zeit. Ein Film, der sich selbst vor einem aufbäumt, wie ein riesiges, brutalistisches Gebäude, als würde er uns anschreien wollen, dessen Wege dann aber oft ebenso unergründlich sind, wie die unterirdischen Gänge von László Tóths 4 in 1-Gebäude. Ein 10 Millionen Dollar günstiges Wunder von einem Monumentalfilm, das am 3. März den Oscar bekommen sollte.

The Brutalist könnte einer der besten Filme diesen Jahres werden. Über die besten Filme des letzten Jahres haben wir hier gesprochen:

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