Mobiler TV-Empfang über 5G: Die letzte Chance für das lineare Fernsehen?

Es ist kein Geheimnis, dass die Dominanz des linearen Fernsehens in der Medienlandschaft allmählich wegzubrechen droht. Streaming-Anbieter wie Disney+, Netflix und Prime Video sind gerade bei Jugendlichen längst beliebter als das klassische TV-Programm. Unabhängig von der Altersklasse bevorzugen es immer mehr Menschen, sich Filme, Serien und mehr ansehen zu können, ohne an feste Sendezeiten gebunden zu sein. Dennoch haben lineare TV-Sender durch Sportübertragungen, Shows und natürlich Nachrichten weiterhin eine Daseinsberechtigung. Und jetzt naht ein neuer Kniff, der die Beliebtheit wieder anfachen könnte.
So soll ein neuer Übertragungsstandard namens 5G Broadcast DVB-T2 ablösen (via heise.de). Die zuständige Europäische Rundfunkunion (EBU) und Broadcast Networks Europe haben am 2. September angekündigt, dass das Empfangsprofil mittlerweile veröffentlicht ist und auf Feedback von europäischen Rundfunkanbietern wartet. Es ist auf der 5G-MAG-GitHub-Seite vollständig einsehbar. 5G Broadcast würde den freien Fernsehempfang über den Mobilfunkstandard 5G ermöglichen. Aktuell arbeiten sowohl der Chip-Hersteller Qualcomm als auch die Freenet-Tochter Media Broadcast und weitere Firmen aus Europa an dem Standard. Via 5G Broadcast könntest du das lineare Fernsehen ohne eine SIM-Karte auf mobilen Endgeräten verfolgen. Voraussetzung wäre aber natürlich, dass dein mobiles Endgerät grundlegend zu 5G kompatibel ist. Das gilt zwar für die meisten aktuellen Smartphones, aber nur für wenige Tablets. Das Profil definiert einige weitere Voraussetzungen, darunter etwa, dass der Mobilfunkchip auch dualen Antennenempfang sowie Multithreading unterstützen muss.

5G Broadcast setzt auch keinen Vertrag bei einem Mobilfunkanbieter voraus. Das bedeutet im Klartext, dass du das lineare Fernsehen über den Standard nutzen könntest, ohne dein Datenvolumen zu belasten. Auch belastet 5G Broadcast die Mobilfunknetze nicht. Das liegt daran, dass nicht viele einzelne „Point-to-Pont-Verbindungen“ hergestellt werden müssen. Stattdessen genügt eine einzige Point-to-Multipoint-Verbindung.
Fernsehen per 5G: Auch deutsche Programme zeigen Interesse
Testläufe haben bereits stattgefunden – etwa zum Eurovision Song Contest 2022. Auch deutsche, öffentlich-rechtliche Rundfunksender wie WDR, BR und SWR haben an dem Standard mitgearbeitet und Forschungsprojekte gestartet. Es gibt aber einige technische Anforderungen an die Endgeräte, die 5G Broadcast empfangen sollen. Unter anderem müssen sie den Audio-Codec HE-AAC aacPlus, enhanced aacPlus, AC-3 und AAC unterstützen. Dazu sind beispielsweise die Video-Codecs H.264 High profile, H.265 (HEVC) und H.266 VVC zwingend Voraussetzung.
Deutsche TV-Sender erhoffen sich von 5G Broadcast natürlich eine höhere Reichweite. Schließlich kann man mehr potenzielle Empfangsgeräte erreichen. Und manche Menschen würden dann vielleicht unterwegs gerne einmal das lineare Fernsehen beanspruchen, statt auf einen Streaming-Dienst zurückzugreifen, der das Datenvolumen verschlingt.
Offen ist aber, ob und wann 5G Broadcast sich in Europa bzw. Deutschland durchsetzen könnte. So ist das mit dem 5G-Netzausbau in der Fläche hierzulande noch so eine Sache. Obendrein gibt es aktuell auf dem Massenmarkt noch keine mobilen Endgeräte, die alle technischen Anforderungen erfüllen. Es dürfte also so oder so noch Jahre dauern, bis das Ganze eine größere Rolle spielt.